Die österreichische Bundesbahn (ÖBB) schloss in ihren Besonderen Beförderungsbedingungen eine Fahrpreisentschädigung für den Fall von Zugverspätungen aus, die auf höherer Gewalt beruhten. Das beanstandete die Schienen-Control-Kommission Österreichs als nationale Bahnaufsicht und ordnete die Streichung der entsprechenden Klausel unter Berufung auf Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 (ABlEU Nr. L 315 vom 3.12.2007 – im Folgenden VO Bahn) an. Die ÖBB klagte gegen diese Vorgabe vor dem östVGH, der den EuGH um Auskunft bei der Auslegung des EU-Rechtes ersuchte.
Art. 17 Abs. 1 der VO Bahn hat folgenden Wortlaut:
"Ohne das Recht auf Beförderung zu verlieren, kann ein Fahrgast bei Verspätungen von Eisenbahnunternehmen eine Fahrpreisentschädigung verlangen, wenn er zwischen dem auf der Fahrkarte angegebene Abfahrts- und Zielort eine Verspätung erleidet, für die keine Fahrpreisentschädigung nach Art. 16 erfolgt ist (betrifft Fahrpreisentschädigungen bei geänderter Streckenführung). Die Mindestentschädigung bei Verspätungen beträgt:"
a) 25 % des Preises der Fahrkarte bei einer Verspätung von 60 bis 119 Minuten;
b) 50 % des Preises der Fahrkarte ab einer Verspätung von 120 Minuten:
Fahrgäste, die eine Zeitfahrkarte besitzen und denen während der Gültigkeitsdauer ihrer Zeitfahrkarte wiederholt Verspätungen oder Zugausfälle widerfahren, können angemessene Entschädigung gem. den Entschädigungsbedingungen des Eisenbahnunternehmens verlangen.“
In den Entschädigungsbedingungen werden die Kriterien zur Bestimmung der Verspätung und für die Berechnung der Entschädigung festgelegt.
Zur Zuständigkeit der Schienen-Control-Kommission bestimmt Art. 30 der VO Bahn, dass die Kommission als für die Durchsetzung der VO Bahn benannte nationale Stelle die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen habe, um sicherzustellen, dass die Rechte der Fahrgäste gewahrt werden.
Der VGH unterbreitete dem EuGH zunächst die Frage, ob Art. 30 der VO Bahn dahin auszulegen sei, dass die Schienen-Control-Kommission befugt sei, der ÖBB die Entschädigungsbedingungen verbindlich vorzuschreiben oder das nationale Recht ihr lediglich die Möglichkeit einräume, solche Entschädigungsregeln für unwirksam zu erklären. Weiterhin stellte der VGH die Frage, ob Art. 17 Abs. 1 der VO Bahn dahin zu verstehen sei, dass ein Eisenbahnunternehmen nicht berechtigt sei, in seine Allgemeine Beförderungsbedingungen Klauseln aufzunehmen, die für den Fall höherer Gewalt als Ursache der Zugverspätung einen Entschädigungsanspruch ausschließen. Weiterhin wurde eine Beantwortung der Frage erbeten, ob die in den Beförderungsbedingungen enthaltenen Klauseln, wonach ein Anspruch auf Entschädigung oder auf Ersatz der Kosten aufgrund von Zugverspätungen dann nicht bestehe, wenn die Verspätung auf Verschulden des Reisenden, dem Verhalten eines Dritten, das der Beförderer trotz Anwendung der nach Lage des Falles notwendigen Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte, bei Vorliegen eines außerhalb des Eisenbahnbetriebes liegenden Umstands, den der Beförderer trotz Anwendung der nach Lage des Falles notwendigen Sorgfalt nicht vermeiden und nicht abwenden konnte, bei Verkehrsbeschränkungen infolge Streiks, wenn der Reisende hierüber angemessen informiert wurde und wenn die Verspätung auf Verkehrsleistungen zurückzuführen ist, die nicht Teil des Beförderungsvertrags sind, beruhe.
In seiner Entscheidung ging der EuGH zunächst auf die zweite Vorlagefrage ein und nahm erst anschließend zur ersten Vorlagefrage Stellung.