Auf engem Raum hat das OLG Schleswig in überzeugender Weise zwei Dauerbrenner des Themas Alkohol im Straßenverkehr aufbereitet. Zuerst eine kurze Rekapitulation zu § 81a StPO und dem leidigen Thema der Blutentnahme ohne richterliche Genehmigung: Notwendig ist die Anordnung natürlich nur bei fehlender Einwilligung (OLG Bamberg, NJW 2009, 2146). Diese erlässt der zuständige Amtsrichter, bei Gefahr im Verzug auch der Staatsanwalt oder eine Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft, § 152 GVG (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., 2013, § 81a StPO, Rn 5). Die abstrakte Gefahr des Wirkstoffabbaus genügt hierfür allerdings nicht (BVerfG, NJW 2010, 2864). Der fehlende richterliche Eildienst ist als Fall der Gefahr im Verzug anerkannt worden (OLG Zweibrücken, DAR 2010, 711). Wird gegen den Richtervorbehalt in rechtswidriger Weise verstoßen, etwa weil wie hier doch ein Richter erreichbar gewesen wäre oder die Staatsanwaltschaft nicht eingeschaltet wurde, begründet dies per se kein Beweisverwertungsverbot (KG Berlin, NStZ-RR 2009, 243; BVerfG, DAR 2011, 196). Nur bei einer willkürlichen Missachtung des Richtervorbehalts nimmt die Rspr. in verschiedenen Einzelfällen ausnahmsweise ein solches Beweisverwertungsverbot an (Beispiele bei König, ibidem, Rn 6). Eine solche war hier nicht gegeben und dies wurde auch ordnungsgemäß in den Urteilsgründen festgestellt. Der Verteidiger muss beachten, dass er einen behaupteten Verstoß in der Hauptverhandlung rechtzeitig und protokollfest rügen muss, indem er der Verwertung widerspricht (OLG Celle, NZV 2011, 48). Phasenweise wurde sogar die Beiordnung eines Pflichtverteidigers für erforderlich erachtet, um die o.g. Rechtsfrage für den Beschuldigten zu prüfen (z.B. LG Koblenz, NZV 2010, 103), was aber mittlerweile nicht mehr üblich bzw. erforderlich i.S.d. § 140 Abs. 2 StPO sein dürfte.
Hinsichtlich der Bewertung einer hohen Promillezahl für die Frage der Steuerungs- und Schuldfähigkeit durch das Gericht hat das OLG Schleswig erfreulicherweise einem allzu laxen Umgang mit der Thematik eine klare Absage erteilt. Es mutet ohnehin merkwürdig an, dass bei fast erreichten 3 Promille BAK, bei günstiger Rechnung sogar 3,5 Promille, nicht einmal im Zweifel für eine verminderte Schuldfähigkeit entschieden wurde. Jedoch darf auch bei neuerdings erforderlicher Prüfung des Einzelfalls unabhängig von der Höhe der gemessenen BAK die Anwendung der §§ 20, 21 StGB nur dann abgelehnt werden, wenn ausreichende und fachgerechte Feststellungen dazu getroffen worden sind. Dies umfasst zum einen die Darstellung einer entsprechenden Tatsachengrundlage, die nicht nur aus der Aussage eines Polizisten stammen kann, sondern z.B. auch weitere Tatzeugen oder wenigstens den untersuchenden Arzt einschließen muss. Auch der Rückschluss auf das Vorhandensein der Steuerungsfähigkeit lediglich aus der Tatsache, dass überhaupt ein Fahrzeug gesteuert wurde, muss versagt bleiben, wenn zur Fahrt an sich keine Feststellungen möglich sind. Eine ähnliche Konstellation bietet sich dem Verteidiger ja, wenn ein Drogenkonsument im Auto hinter dem Steuer sitzend angetroffen wird: ohne Feststellungen, ob und wie dieser zuvor gefahren ist, kann kein Rückschluss auf eine Fahrt unter Betäubungsmitteleinfluss getroffen werden. Schließlich macht das OLG Schleswig deutlich – dies zu Recht –, dass für Detailfragen bei solchen Promillezahlen ein Sachverständiger zu Rate zu ziehen ist. Man mag ja Rückrechnungen und sonstige Einstiegsübungen der Rechtsmedizin als Amtsrichter noch selbst bewerkstelligen. Jedoch dürfte nur eine überschaubare Minderheit in der Lage sein, belastbare Feststellungen wie ein rechtsmedizinischer Sachverständiger zur Frage der Steuerungsfähigkeit nach Alkoholkonsum zu treffen, insb. wenn es um die Bewertung des feststellbaren Verhaltens nach der Kontrolle geht, also ob und welche Ausfallerscheinungen dort gezeigt wurden und welche Rückschlüsse dies auf die Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit erlaubt.
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 1/2014, S. 53 - 55