Trotz zahlreicher Entscheidungen des EuGH zur Inlandsgültigkeit ausländischer EU-Fahrerlaubnisse und zu Kompetenzen inländischer Behörden in diesem Zusammenhang sind noch nicht alle dabei auftretenden Probleme europarechtlich geklärt. Mit folgendem Sachverhalt hatte sich das VG Sigmaringen auseinanderzusetzen: Die Klägerin besitzt eine österreichische EU-Fahrerlaubnis und hat ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich. Sie führte im Bundesgebiet unter Cannabiseinfluss (THC-Gehalt 18,8 ng/ml) ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr. Ein einmaliger Probierkonsum lag nicht vor. Drogentypische Auffälligkeiten konnten nicht festgestellt werden. Der Vorgang wurde als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet. Die österreichische Fahrerlaubnisbehörde teilte gegenüber der deutschen Fahrerlaubnisbehörde mit, eine Entziehung der Fahrerlaubnis komme nach österreichischem Recht nicht in Betracht, nachdem es an drogentypischen Auffälligkeiten gefehlt habe und keine Anhaltspunkte für eine Drogenabhängigkeit vorlägen. Die deutsche Fahrerlaubnisbehörde stufte den Vorgang als gelegentlichen Cannabiskonsum mit fehlendem Trennungsvermögen ein und erkannte der Klägerin das Recht, Kraftfahrzeuge auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu führen, ab. Im Klageverfahren legte das Verwaltungsgericht die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.
Der Kammer ist zuzugeben, dass offen ist, ob die Berechtigung zur Aberkennung der Inlandsgültigkeit einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis auch dann besteht, wenn der Betroffene seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Inland hat. Nach dem Territorialitätsprinzip ist eine natürliche Person, die sich im Hoheitsgebiet eines Staates (wenn auch nur vorübergehend) aufhält, dessen Hoheitsgewalt unterworfen. Konsequenterweise verwenden § 3 Abs. 1 S. 1 StVG und § 46 Abs. 1 S. 1 FeV die Formulierungen "Jemand" und "Inhaber einer Fahrerlaubnis", ohne danach zu differenzieren, ob der Betroffene Deutscher ist oder seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat. Eine inländische Rechtsgrundlage zur Entziehung einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis, die die Wirkung der Aberkennung des Rechts, im Inland Fahrzeuge zu führen, zur Folge hat, besteht damit. Ob diese Rechtsgrundlage im Fall einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis auch mit höherrangigem Europarecht vereinbar ist, ist in der Rechtsprechung des EuGH bislang nicht geklärt. Problematisch ist, dass das einschlägige Europarecht – Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG und Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG – eine solche Kompetenz nur dem Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes einräumt.
In Deutschland wäre der vorgestellte Fall als gelegentlicher Cannabiskonsum mit fehlendem Trennungsvermögen zu bewerten gewesen, was zwingend zur Entziehung der Fahrerlaubnis geführt hätte. Im Ergebnis liegt es auf der Hand, dass im Interesse der Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit der Inhaber einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis, der seinen ordentlichen Wohnsitz im Ausland hat, nicht besser gestellt werden kann als der Inhaber einer inländischen Fahrerlaubnis oder der Inhaber einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis, der seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob der EuGH die genannten Vorschriften der zweiten und dritten Führerscheinrichtlinie, die als Tatbestandsvoraussetzung ausdrücklich das Bestehen eines ordentlichen Wohnsitzes im Inland nennen, im Sinne der Verkehrssicherheit dahingehend auslegt, dass in vergleichbaren Fällen auf die Einhaltung dieser Tatbestandsvoraussetzung verzichtet werden kann.