RVG § 8; BGB § 199
Leitsatz
1. Die Fälligkeitstatbestände des § 8 RVG sind abdingbar.
2. Fälligkeitsvereinbarungen können auch konkludent geschlossen werden, etwa wenn die Parteien eine Zeitvergütung und regelmäßige Zwischenabrechnungen vereinbart haben.
(Leitsätze der Schriftleitung)
BGH, Beschl. v. 19.9.2013 – IX ZR 112/11
Sachverhalt
In dem vor dem LG F in erster Instanz und vor dem OLG F in der Berufungsinstanz geführten Rechtsstreit ging es um die Zahlung von Anwaltsvergütung. Dabei stand – wohl im Zusammenhang mit der Verjährung des Vergütungsanspruchs – die Frage im Vordergrund, wann die Vergütung der klagenden Anwältin fällig geworden ist.
2 Aus den Gründen:
[1] "Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 S. 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg."
[2] § 8 RVG ist ebenso abdingbar wie die Vorläufervorschrift des § 16 BRAGO (vgl. BGH AnwBl. 1978, 229 = Rpfleger 1978, 91; BGH AnwBl. 1985, 287; BGH NJW-RR 1992, 254). Fälligkeitsvereinbarungen können auch konkludent geschlossen werden, etwa wenn die Parteien eine Zeitvergütung und regelmäßige Zwischenabrechnungen vereinbart haben. Dass diese Grundsätze, die auch der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen, in Rspr. oder Literatur anders gesehen werden, zeigt die Nichtzulassungsbeschwerdebegründung nicht auf.
[3] Von einer weiteren Begründung wird gem. § 544 Abs. 4 S. 2 Hs. 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.“
3 Anmerkung:
Mit diesen wenigen Zeilen hat der BGH die Abweisung der Klage auf Zahlung von Anwaltsvergütung i.H.v. 114.866,06 EUR – wie man aus der Festsetzung des Verfahrenswertes nachvollziehen kann – bestätigt. Da der Beschl. des BGH keinen Tatbestand enthält, kann man nur schlussfolgern, welcher Sachverhalt ihm zugrunde liegt. Die Anwältin hatte wohl mit den beklagten Mandanten eine Zeitvergütung mit Zwischenabrechnungen vereinbart und war mehrere Jahre für die Mandanten tätig gewesen. Als sie verjährungshemmende Maßnahmen ergriffen hatte, war ein Teil des Vergütungsanspruchs bereits verjährt, weil in der Vereinbarung konkludent die Abrede gelegen hat, dass die mit jeder Zwischenabrechnung berechnete Zeitvergütung zum Abrechnungszeitpunkt fällig war. Der Fall belegt, dass den Fälligkeitstatbeständen des § 8 RVG und der dazu ergangenen Rspr. nicht immer die nötige Aufmerksamkeit gewidmet wird.
Gem. § 8 Abs. 1 S. 1 RVG wird die Vergütung fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist. § 8 Abs. 1 S. 2 RVG regelt Fälligkeitstatbestände für die Vergütung in einem gerichtlichen Verfahren. In diesen Fällen wird die Vergütung auch fällig, wenn eine Kostenentscheidung ergangen oder der Rechtszug beendet ist oder wenn das Verfahren länger als drei Monate ruht.
Der Eintritt der Fälligkeit der Anwaltsvergütung hat sowohl für den Anwalt als auch für den Auftraggeber verschiedene rechtliche Folgen:
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Mit Eintritt der Fälligkeit kann der Anwalt seine Vergütung berechnen und von dem Auftraggeber einfordern. |
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Der Anwalt kann gegen seinen Auftraggeber das Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 11 RVG betreiben (siehe § 11 Abs. 2 S. 1 RVG) oder eine Honorarklage erheben, wenn dieses Verfahren nicht eröffnet ist. |
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Der Anwalt kann nach Eintritt der Fälligkeit in gerichtlichen Verfahren die Festsetzung des Gegenstandswertes aus eigenem Recht beantragen (§ 33 Abs. 2 S. 1 RVG). Er kann aus eigenem Recht auch gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes Beschwerde einlegen (§ 33 Abs. 3 RVG). |
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Mit Eintritt der Fälligkeit endet das Recht auf Vorschuss nach § 9 RVG (siehe Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 21. Aufl., § 8 Rn 33; differenzierend AnwK-RVG/N. Schneider, 6. Aufl., § 8 Rn 10). |
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Mit Eintritt der Fälligkeit hat der Auftraggeber einen Anspruch auf Erteilung einer formgerechten Kostenberechnung gem. § 10 RVG, dies selbst dann, wenn der Auftraggeber die Vergütung gezahlt hat, ohne die Berechnung erhalten zu haben (§ 10 Abs. 3 S. 1 RVG). |
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Mit Fälligkeit der Anwaltsvergütung kann auch der Auftraggeber die Vergütungsfestsetzung gem. § 11 Abs. 1 S. 1 RVG beantragen. |
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Die wohl für Rechtsanwalt und Auftraggeber wichtigste Folge der Fälligkeit der Anwaltsvergütung ist der Beginn der Verjährung des Anspruchs auf Anwaltsvergütung. |
Gem. § 195 BGB verjähren die Ansprüche des Rechtsanwalts wegen seiner Gebühren und Auslagen in drei Jahren. Gem. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnt die Verjährung mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Hierunter ist jedoch nicht schon der Anfall der Gebühren und Auslagen, etwa durch Auslösen des entsprechenden gesetzlichen Gebühren- oder Auslagentatbestandes gemeint. Vielmehr ist für den Beginn der Verjährungsfrist der Zeitpunkt der Fälligkeit der Anwaltsvergütung maßgebend (AnwK-RVG/N. Schneider a. a. O).
Rechtsanwalt und Auftraggeber können hinsichtlich der Fälligkeit der Anwaltsvergütung auch abweichende Vereinbarungen treffen. Derartige Vereinbarungen müssen nicht den Formerfordernissen des § 3a Abs. 1 RVG ...