VVG § 19 § 23; BGB § 306 § 307
Leitsatz
Eine Vertragsstrafenklausel in einem Kfz-Versicherungsvertrag, wonach bei unterlassener Mitteilung eines Merkmals zur Beitragsberechnung (hier: Jahreskilometerleistung) der VN zur Zahlung einer zusätzlichen Jahresprämie verpflichtet wird, ist gem. § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, wenn der VR nicht gleichzeitig auf seine gesetzlichen Rechte wegen Gefahrerhöhung verzichtet.
OLG Stuttgart, Urt. v. 25.7.2013 – 7 U 33/13
Sachverhalt
Die Kl. nimmt die Bekl., ihre VN, auf Zahlung einer erhöhten Jahresprämie und einer Vertragsstrafe in Höhe einer (weiteren) Jahresprämie in Anspruch. Die Tarifbestimmungen (TB-KR) der von der Bekl bei der VN abgeschlossenen Kfz-Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung enthielten folgende Klauseln:
Ziffer 6 (Anwendung und Änderung von Gefahrenmerkmaien)
(2a) Anzeigepflicht des VN
Der VN ist verpflichtet, dem VR unverzüglich zu meiden, wenn sich während der Laufzeit des Vertrages für die Beitragsberechnung relevante Umstände, die bei Antragstellung anzugeben und im Versicherungsschein unter der Rubrik "Die Beitragsberechnung für ihre Kraftfahrzeugversicherung beruht auf folgenden Angaben, die wir von Ihnen erhalten haben" aufgeführt sind, ändern. Im Übrigen gelten die Vorschriften des VVG zur Gefahrerhöhung (§§ 16-30).
(2b) Unrichtige und unterlassene Angaben
Hat der VN während der Laufzeit des Vertrages schuldhaft unrichtige Angaben gemacht oder die Anzeigepflicht gem. Abs. 2a schuldhaft verletzt und hat der VR deswegen einen zu niedrigen Beitrag berechnet, ist der VR berechtigt, ab Beginn der Versicherungsperiode, in der die Änderung erfolgte, den Beitrag neu zu berechnen und nach zu erheben. Daneben ist der VR berechtigt, statt seiner gesetzlichen Rechte auf Rücktritt oder Kündigung eine Vertragsstrafe in Höhe des neu berechneten Jahresbeitrages zu verlangen.
Bei Abschluss des Versicherungsvertrages legten die Parteien eine maximale Jahresfahrleistung von 9.000 km zugrunde. Nach einem drei Jahre später geschehenen Unfall stellte sich eine Jahresfahrleistung von 32.000 km heraus.
2 Aus den Gründen:
" … Die Klage i.H.v. 2.501,58 EUR nebst Nebenforderungen ist unbegründet. Die Berufung der Bekl. ist in gleichem Umfang begründet."
1. Die Kl. hat keinen Anspruch auf die Differenz eines neu berechneten und nachzuerhebenden Beitrags aus der Kfz-Versicherung gem. Nr. 6 Abs. 2b TB-KR.
a) Die AKB und die TB-KR sind von den Parteien unstreitig in den Versicherungsvertrag mit einbezogen, § 314 S. 1 ZPO.
b) Dahinstehen kann, ob die Klausel zur Nacherhebung und Neuberechnung von Prämien bei unrichtigen oder unterlassenen Angaben gem. Nr. 6 Abs. 2b S. 1 TB-KR wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist, § 306 Abs. 1 BGB.
c) Nach Nr. 6 Abs. 2b TB-KR kann die Kl. als VR ab Beginn der Versicherungsperiode, in der der VN die Anzeigepflicht gem. Nr. 6 Abs. 2a TB-KR “schuldhaft’ verletzt hat, den Beitrag neu berechnen und den Differenzbetrag nacherheben.
Unstreitig hat die Bekl. als VN für das von ihr genutzte Kfz BMW 730 d die erhöhte Kilometerleistung von rund 32.000 km pro Jahr ab Versicherungsbeginn nicht nachträglich angezeigt.
Entgegen Nr. 6 Abs. 2b S. 1 TB-KR ist eine nachvollziehbare Neuberechnung und eine Nacherhebung in Höhe der Differenz des Jahresbeitrags bei einer maximalen Jahresfahrleistung von 32.000 km statt, wie ursprünglich angegeben, nur maximal 9.000 km, mit dem Schreiben der Kl. an die Bekl. vom 16.3.2009 nicht erfolgt. Aus dem Schreiben vom 16.3.2009 ist nur ein Betrag i.H.v. insgesamt 2.501,58 EUR unter Aufteilung auf die “Kfz-Haftpflichtversicherung’ und die “Fahrzeugversicherung (Kaskoversicherung)’ zu entnehmen. Weder aus dem Anschreiben der Kl. an die Bekl. noch aus den dazugehörigen Anlagen oder den sonstigen vorgelegten Urkunden ist nachvollziehbar, wie sich die Nachforderung, die wohl aus einem Anspruch aus Nr. 6 Abs. 2b S. 1 TB-KR und einem Anspruch aus Nr. 6 Abs. 2b S. 2 TB-KR (Vertragsstrafe) gebildet ist, im Einzelnen zusammensetzt. Den Anforderungen einer “Neuberechnung’, wie ein durchschnittlicher VN diesen Begriff in den AVB versteht und verstehen darf, ist mit dem aus sich heraus nicht verständlichen Schreiben der Kl. vom 16.3.2009 nicht genügt. Soweit die Kl. davon ausgehen sollte, dass die Neuberechnung den Regelungen in ihren AVB in Nr. 6 Abs. 2b TB-KR entsprechen sollte, erläge sie einem Auslegungsirrtum, der indes keine objektiven Zweifel bei der Auslegung von AGB für einen durchschnittlichen VN gem. § 305c Abs. 2 BGB nach sich zieht.
2. Die Vertragsstrafen-Klausel in Nr. 6 Abs. 2b S. 2 TB-KR benachteiligt einen durchschnittlichen VN unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben gem. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, weshalb die Klausel unwirksam ist, § 306 Abs. 1 BGB.
a) Prämienanpassungsklauseln bei unterlassenen Angaben bezüglich der tatsächlichen Merkmale zur Beitragsberechnung sind im Grundsatz bei schuldhaften Verstößen zulässig. Dasselbe gilt für Vertragsstrafen, jedenfalls bei vorsätzlichen Vers...