Rechtlich ist die Problematik der Wahrnehmbarkeit des Unfalls im subjektiven Tatbestand angesiedelt. Dabei genügt bedingter Vorsatz für die Verwirklichung des Delikts.
Der erste Ansatzpunkt des Verteidigers ist dabei die tatsächliche Wahrnehmbarkeit des Anstoßes, denn hierum wird es in der Praxis sehr häufig gehen. Unterschieden werden muss zunächst nach der Wahrnehmungsfähigkeit des Beschuldigten und der tatsächlichen Wahrnehmbarkeit. Persönliche Einschränkungen des Beschuldigten, insbesondere psychologische, gesundheitliche oder körperliche Beeinträchtigungen müssen ausreichend in den Feststellungen und in der Beweiswürdigung eines Urteils hervortreten. Ein wesentlicher Punkt ist hier vor allem das Alter des Kraftfahrers, denn hier ist die Wahrnehmungsfähigkeit mitunter besonders problematisch. Bei der Einlassung durch den Verteidiger ist aber Vorsicht geboten! Stellt er hier die mangelnde Wahrnehmung des Mandanten aufgrund seines Alters zu sehr in den Vordergrund, könnte die Staatsanwaltschaft leicht auf die Idee kommen, die Angelegenheit der Fahrerlaubnisbehörde zu melden, weil Zweifel an der Eignung zum Führen eines Kfz wegen körperlicher oder geistiger Mängel bestehen, §§ 2 Abs. 4, 3 StVG, § 3 FeV. Konsequenz kann die Anforderung eines Gutachtens eines Arztes mit verkehrsmedizinischem Schwerpunkt oder gar eine MPU sein. Dann hat der Verteidiger dem Mandanten einen Bärendienst erwiesen. Er muss also stets auch die möglichen Konsequenzen im Hinterkopf behalten, zumindest aber hierüber umfassend belehren.
Eine eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit wurde in der Rechtsprechung schon unter dem Aspekt der Einschränkung nach Alkoholgenuss diskutiert. Gleiches kann für den Fall der Medikamenteneinnahme gelten, schlimmstenfalls natürlich im Zusammenspiel mit dem Konsum von Rausch- oder Suchtmitteln. Die Wahrnehmbarkeit des Unfalls kann auch aufgrund innerer Einflüsse wie Stress, Angst oder äußerer Einflüsse wie einer schwierigen Verkehrssituation, der Lichtverhältnisse oder Fahrunebenheiten ausgeschlossen sein.
Ist die Wahrnehmungsfähigkeit gegeben, muss hinsichtlich der Wahrnehmbarkeit differenziert werden, ob der Unfall visuell und/oder akustisch und/oder taktil wahrgenommen werden konnte. Das Gericht muss klar trennen zwischen subjektiven Einschätzungen und objektiv messbaren Fakten. Bei Einschätzungen eines Unfallgeräusches als "sehr laut" durch einen Zeugen handelt es sich um eine subjektive, weder messbare noch reproduzierbare und daher nur wenig aussagekräftige Aussage. Ergibt sich dementsprechend aus der Ermittlungsakte, dass ein Zeuge angegeben hat, er habe in der Nähe gestanden und der "Knall" sei so laut gewesen, dass der Mandant diesen habe wahrnehmen müssen, hat der Verteidiger hier anzusetzen. Diese Aussage bedeutet für die Strafbarkeit des Mandanten zunächst nichts. Denn der Zeuge ist regelmäßig gänzlich anderen (Umwelt-)Geräuschen ausgesetzt, als der sich im Fahrzeug befindliche Mandant. Hierauf hat der Verteidiger unbedingt hinzuweisen.
Da die Behauptung des Nichtbemerkthabens eine Standardeinlassung des Beschuldigten ist, muss für diese Frage üblicherweise ein technischer Sachverständiger bestellt werden. Denn insbesondere gibt es keinen Erfahrungssatz, dass die Berührung zweier Fahrzeuge immer von den Fahrzeuginsassen taktil wahrgenommen wird. Hieraus folgt, dass ein Gericht in der Regel nicht lediglich aufgrund von Zeugenaussagen zur (akustischen) Wahrnehmbarkeit des Verkehrsunfalls den Mandanten verurteilen darf, wenn dieser sich dergestalt einlässt, er habe einen Zusammenstoß nicht wahrgenommen. Ein Sachverständigengutachten dürfte unerlässlich sein, vom Gericht wohl sogar gem. § 244 Abs. 2 StPO von Amts wegen anzuordnen sein. Gleichwohl sollte der Verteidiger stets, auch schon in der Einlassung, einen entsprechenden Beweis anbieten. Es kann sich sogar empfehlen, für den (rechtsschutzversicherten) Mandanten frühzeitig selbst ein Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben. Die Kosten hierfür, d.h. für einen öffentlich bestellten Sachverständigen oder eine rechtsfähige, technische Sachverständigenorganisation, trägt regelmäßig der Rechtsschutzversicherer, 2.3.1.3 ARB 2012, sofern eine Verkehrsrechtsschutzversicherung abgeschlossen wurde.
Der nächste Ansatz zum Ausschluss des subjektiven Tatbestands ist der bemerkte, aber als unerheblich eingeschätzte Unfallschaden. Konkret festgestellt werden muss dabei nämlich das Schadensbild, um auszuschließen, dass der Unfallverursacher Beschädigungen übersehen hat, ohne dass ihm zumindest bedingt vorsätzliches Verhalten anzulasten ist. Denn der Vorsatz muss sich auch darauf erstrecken, dass es zu einem Unfall i.S.d. § 142 StGB gekommen ist. Der Täter muss erkannt oder wenigstens mit der Möglichkeit gerechnet haben, dass ein nicht ganz unerheblicher Schaden entstanden ist. Nicht erforderlich ist die genaue Kenntnis von der Art des verursachten Schadens. Es reicht nicht aus, dass der Angeklagte die Entstehu...