VVG § 28 Abs. 2; BGB § 166; AKB E 6.1., 1.3.
Leitsatz
Verschweigt der von dem VN mit der Abgabe der Schadenanzeige beauftragte Sohn des VN einen Nachtrunk, ist der VR wegen arglistiger Verletzung der Aufklärungsobliegenheit leistungsfrei.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Köln, Urt. v. 15.7.2014 – 9 U 204/13
1 Aus den Gründen:
" … Der Kl. hat gegen die Bekl. keinen Anspruch auf die begehrte Versicherungsleistung aus § 1 VVG i.V.m. Buchst. A.2.7 der in den streitgegenständlichen Vollkaskoversicherungsvertrag einbezogenen AKB, weil die Bekl. wegen arglistiger Verletzung seiner Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit durch Falschangaben des Sohnes des Kl. betreffend den streitgegenständlichen Verkehrsunfall gem. § 28 Abs. 2 VVG i.V.m. Buchst. E.6.1., E.1.3 AKB leistungsfrei ist. Da der Sohn des Kl. als dessen Wissenerklärungsvertreter gehandelt hat, muss sich der Kl. die Obliegenheitsverletzung seines Sohnes wie eine eigene zurechnen lassen. Im Einzelnen:"
1. Es steht zunächst fest, dass der Sohn des Kl. vorsätzlich i.S.d. § 28 Abs. 2 VVG gegen die Aufklärungsobliegenheit aus Buchst. E.1.3 AKB verstoßen hat, indem er auf entsprechende Nachfrage der Bekl. falsche Angaben betreffend seinen in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall stattgefundenen Alkoholkonsum gemacht hat. Der Durchführung einer Beweisaufnahme bedurfte es insoweit nicht, da eine vorsätzliche Falschangabe unabhängig davon zu bejahen ist, ob man den Vortrag der Bekl. oder den Vortrag des Kl. zugrunde legt.
Die Aufklärungsobliegenheit aus Buchst. E.1.3 AKB erstreckt sich auf alle Umstände, die für die Aufklärung des Sachverhalts, die Minderung des Schadens oder die Deckungspflicht des VR bedeutsam sein können, wobei sich die von dem VN konkret zu leistenden Angaben in erster Linie danach richten, welche Fragen der VR im Schadensformular oder in Form ergänzender Rückfragen an den VN richtet (Prölss/Martin-Knappmann, 28. Aufl. 2010, E.1 AKB 2008, Rn 14 f.). Vorliegend hat die Bekl. im Schadensanzeigeformular ausdrücklich nach stattgefundenem Alkoholgenuss gefragt und der Sohn des Kl. hat diese Frage durch Ankreuzen des entsprechenden Kästchens verneint.
Unter Zugrundelegung des Beklagtenvortrages war diese Verneinung objektiv wahrheitswidrig, weil nach der Behauptung der Bekl. der Sohn des Kl. den streitgegenständlichen Unfall in bereits alkoholisiertem Zustand verursacht hat. Aber auch unter Zugrundelegung des Klägervortrags hat der Sohn des Kl. die Frage nach stattgefundenem Alkoholkonsum wahrheitswidrig verneint: Der Kl. hat sich im vorliegenden Rechtsstreit die Angaben seines Sohnes zu eigen gemacht, nämlich, dass er zum Unfallzeitpunkt nicht alkoholisiert gewesen sei, sondern erst unmittelbar nach dem Verkehrsunfall eine Flasche Jägermeister getrunken habe. Auch das Verschweigen eines Nachtrunks stellt aber eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nach Buchst. E.1.3 AKB dar, weil ein ins Gewicht fallender Nachtrunk die spätere Bestimmung des Blutalkoholgehaltes zum Unfallzeitpunkt erschwert und damit die Obliegenheit des VN verletzt, alles zu tun, was zur Aufklärung des Schadensereignisses dienen kann. … Der Sohn des Kl. hätte deshalb zur wahrheitsgemäßen Beantwortung der Frage nach stattgefundenem Alkoholgenuss auch den nunmehr von ihm behaupteten Nachtrunk einer Flasche Jägermeister angeben müssen – zumal dieser Nachtrunk noch am Unfallort stattgefunden haben müsste, weil auch der von den unfallaufnehmenden Polizeibeamten an Ort und Stelle durchgeführte Atemtest schon eine Alkoholkonzentration von 0,61 Promille ergeben hat, die sich mit einem Konsum von ein bis zwei Gläsern Bier 7 bis 8 Stunden vor dem Unfall, wie ihn der Sohn des Kl. in dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren eingeräumt hat, nicht erklären lässt.
Das Verschweigen des stattgefundenen Alkoholkonsums durch den Sohn des Kl. erfolgte vorsätzlich i.S.d. § 28 Abs. 2 VVG und darüber hinaus auch arglistig, und zwar wiederum unabhängig davon, ob man den Vortrag der Bekl. oder den des Kl. zugrunde legt. Arglist ist zu bejahen, wenn der VN bewusst und willentlich auf die Entscheidung des VR einwirken will. Eine Bereicherungsabsicht des VN ist dabei nicht erforderlich, vielmehr reicht es aus, dass er einen gegen die Interessen des VR gerichteten Zweck verfolgt, etwa indem er Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche ausräumen will und weiß, dass sein Verhalten den VR bei der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann. … Bei Zugrundelegung des Vortrags der Bekl. zum Alkoholkonsum des Sohnes des Kl. liegt hier ohne weiteres eine arglistige Verletzung der Aufklärungsobliegenheit vor, da jedem VN klar ist, dass das bewusste Verschweigen eines Alkoholkonsums, der zur Feststellung einer Alkoholkonzentration von 0,61 Promille mittels Atemtest am Unfallort und von 1,20 Promille mittels Blutprobe ca. 80 Minuten nach dem Unfall geführt hat, geeignet ist, die Schadensregulierung zugunsten des VN zu beeinflussen und insb. Leistungsfreiheit des VR nach A.2.18.1 AKB zu verhindern. Da...