ARB 75 § 14 (3)
Leitsatz
1. Die Bestimmung in § 14 (3) ARB 75, wonach der Versicherungsfall bereits als eingetreten gilt, wenn ein Dritter begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen, und bei mehreren Verstößen der erste adäquat-ursächliche maßgeblich sein soll, bedarf der einschränkenden Auslegung.
2. Der Gesetzes- oder Pflichtenverstoß eines Dritten, mag er auch die spätere Rechtsverfolgung des VN adäquat-kausal begründen, kann nur dann den Rechtsschutzfall auslösen und zeitlich festlegen, wenn bereits ein gesetzliches oder vertragliches Schuldverhältnis zwischen dem VN und seinem Gegner ansteht.
BGH, Urt. v. 5.11.2014 – IV ZR 22/13
Sachverhalt
Die Kl. begehren für eine Einziehungsklage gegen einen Haftpflichtversicherer Deckungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung, welche sie bei der Bekl. von 1987 bis zur Vertragsbeendigung durch Kündigung im Jahre 2006 hielten und der die ARB 75 zugrunde lagen. Die Parteien streiten im Revisionsverfahren insb. darüber, ob der Rechtsschutzfall in versicherter Zeit eingetreten ist. Dazu ist in den ARB 75 bestimmt:
"§ 14 Eintritt des Versicherungsfalles"
…
(3) In allen übrigen Fällen gilt der Versicherungsfall in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem der VN, der Gegner oder ein Dritter begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Bei mehreren Verstößen ist der erste adäquat ursächliche Verstoß maßgeblich, wobei tatsächliche oder behauptete Verstöße, die länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsvertrages für das betroffene Wagnis zurückliegen, für die Feststellung des Versicherungsfalles außer Betracht bleiben.“
Ende 2003 beteiligten sich die Kl. an einer Fondsgesellschaft. Zur Absicherung der Kapitalanleger sollte ein Wirtschaftsprüfer die zweckgerechte Verwendung der Gesellschaftereinlagen kontrollieren. Dem lag ein ausdrücklich zugunsten der Anleger abgeschlossener sog. Mittelverwendungskontrollvertrag (MVKV) zugrunde, demzufolge die Fondsgesellschaft für die Gesellschaftereinlagen ein Sonderkonto bei einem Kreditinstitut einzurichten hatte, über das sie nur gemeinsam mit dem beauftragten Kontrolleur und nur unter ausdrücklich im Vertrag benannten Voraussetzungen hätte verfügen können.
Der von der Fondsgesellschaft verpflichtete Wirtschaftsprüfer verstieß in der Folgezeit gegen seine vertraglichen Pflichten, indem er die ihm übertragene Kontrolle nicht ordnungsgemäß ausübte und es insb. zuließ, dass das Sonderkonto entgegen der vertraglichen Abrede so eingerichtet war, dass über angelegte Gelder ohne seine Mitwirkung verfügt werden konnte. Seit Ende des Jahres 2005 befand sich die Fondsgesellschaft in Liquidation. Nach abgeschlossenem Haftpflichtprozess steht rechtskräftig fest, dass der Wirtschaftsprüfer den Kl. wegen der genannten Pflichtverletzungen Schadensersatz schuldet. Mit Beschl. v. 1.9.2010 wurde über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter erkannte die Schadensersatzforderung der Kl. an und stellte sie zur Insolvenztabelle fest. Die Kl. möchten nunmehr gem. § 157 VVG a.F. abgesonderte Befriedigung aus dem Anspruch des Wirtschaftsprüfers gegen seinen Berufshaftpflichtversicherer erlangen, an den sie sich erstmals 2010 wandten. Dieser hält sich für leistungsfrei, weil er dem Wirtschaftsprüfer bewusste Pflichtverletzungen vorwirft, für die die Haftpflichtversicherungsbedingungen einen Leistungsausschluss enthalten.
2 Aus den Gründen:
[11] "… Die Bekl. muss den Kl. aus der bereits 2006 beendeten Rechtsschutzversicherung keinen Rechtsschutz für die erst seit dem Jahre 2010 beabsichtigte Einziehungsklage gegen den Berufshaftpflichtversicherer des Wirtschaftsprüfers gewähren, weil dieser Rechtsschutzfall nicht mehr in versicherter Zeit eingetreten ist."
[12] 1. Eine Eintrittspflicht der Bekl. ergibt sich nicht unmittelbar daraus, dass der rechtskräftig festgestellte Schadensersatzanspruch der Kl. gegen den Wirtschaftsprüfer auf dessen in den Jahren 2003 und 2004, mithin noch in versicherter Zeit verübten Pflichtverletzungen beruht und die nunmehr von den Kl. beabsichtigte Interessenverfolgung der Erfüllung dieses Primäranspruchs dient.
[13] a) Für eine auf Pfändung und Überweisung des Anspruchs gegen einen Drittschuldner gestützte Einziehungsklage hat der Senat bereits entschieden, dass es sich insoweit – in Abgrenzung zur Verfolgung des Primäranspruchs, dessen Erfüllung mittels der Pfändung und Überweisung des gegen einen Drittschuldner gerichteten Anspruchs erreicht werden soll – in Ansehung der Rechtsschutzversicherung nicht lediglich um eine Maßnahme zur Vollstreckung des Primäranspruchs und damit eine Fortsetzung des ihn betreffenden Rechtsschutzfalles, sondern um einen neuen, eigenständigen Rechtsschutzfall handelt. Er beruht darauf, dass nach Darstellung des Rechtsschutzversicherungsnehmers der Drittschuldner gegenüber dem Pfandgläubiger seiner Verpflichtung aus der gepfändeten Forderung nicht nachkommt. Ob der Rechtsschutzversicherer für diesen zusätzlichen Recht...