Noch in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrtausends vergaben wir Anwälte keine Termine, sondern "Audienzen". Jeder Mandant traute jedem Rechtsanwalt die volle Kompetenz für seinen Fall zu. Bewertet wurde die anwaltliche Leistung am Ergebnis.
Heute sind Mandanten anders aufgestellt. Nicht das Ergebnis, sondern die Form der Leistung gewinnt immer mehr Bedeutung für Mandanten. Selbst objektiv nicht eilige Angelegenheiten sollen schnellstens erledigt sein. Die Fragen der Mandanten erreichen uns per E-Mail, trotz einfacher Signaturfunktionen nach meiner Erfahrung fast ausschließlich ohne Angabe von Telefonnummern. Man erwartet von uns den Chat, nicht das Gespräch. Besonders beliebt – aber ausschließlich bei den Mandanten – ist die inzwischen weit verbreitete Bitte um drei Terminvorschläge! Ein solches Ansinnen habe ich vor 20 Jahren überhaupt noch nicht erlebt. Gerade im Verkehrsrechtsdezernat mit der Vielzahl seiner Fälle ist es kaum möglich, einem solchen Wunsch nachzukommen. Es reicht auch nicht mehr aus, dass die Fälle erfolgreich gelöst werden, häufig wird noch eine ausführliche Erklärung der Einzelheiten verlangt.
Wird das Mandat über eine Kfz-Werkstatt vermittelt, so erwartet diese – im Einvernehmen mit dem Mandanten – eine engmaschige Forderungskaskade, unverzügliche Information über den Sachstand und falls erforderlich, die zeitnahe Klage.
Beschwerden über Anwälte gab es früher fast überhaupt nicht, heute informiert der Mandant schon die Rechtsschutzversicherung, wenn ein gewünschter Rückruf nicht erfolgt.
Was ist zu tun? Die Antwort ist eindeutig: Charles Darwin hat für die Evolution festgestellt, dass nicht der Stärkste, sondern Anpassungsfähigste überlebt. Wer auf Dauer als Anwalt wirtschaftlich erfolgreich sein will, muss sich diesen mandantschaftlichen Anforderungen stellen, sie weitestgehend befriedigen und vielleicht sogar über diese Anforderungen hinaus zusätzliche Leistungen anbieten.
Sicherlich muss man an mancher Stelle tief durchatmen und sich zusammennehmen, um die Freundlichkeit in manchem Gespräch zu behalten. Wir sind aber inzwischen – wie es das Gesetz ja auch ausdrücklich benennt – "Rechtsdienstleister". Dienstleistung wird gern in Empfang genommen, sie anderen zu gewähren bedeutet nun aber einmal erhebliche Anstrengungen – und wenn wir solche unsererseits gerne in Anspruch nehmen, müssen wir diese auch unseren Mandanten erbringen.
Gerade im Verkehrsrecht ist die schnelle Reaktion wichtig, das erste Anforderungsschreiben sollte möglichst noch am Tag der Beauftragung, spätestens am darauffolgenden Tage verschickt werden, das möglichst per EDV, weil auf diesem Wege dieses Schreiben die zuständigen Sachbearbeiter bei der Versicherung deutlich schneller erhalten als über Post oder Telefax. Wer stets schnell und zuverlässig arbeitet, kann es sich – mit der Einwilligung des Mandanten – auch erlauben, die auf den Zahlungseingang wartende Werkstatt stets über den Sachstand aufzuklären. Hierzu gibt es Softwarelösungen, die insbesondere für den Mandanten eine hohe Transparenz schaffen und quasi den "Blick in die Akte" ermöglichen.
Muss der Mandant wirklich ins Büro kommen? Sitzen Sie selbst gern in einem Wartezimmer? Erforderliche Unterlagen können heutzutage von jedermann eingescannt oder abfotografiert werden, die meisten Besprechungen jedenfalls bei einfachen Blechschäden lassen sich fernmündlich erledigen.
Wichtig ist auch ein bürointernes Beschwerdemanagement, das über den Empfang von Beschwerden hinausgeht, nämlich eine sofortige Abarbeitung gewährleistet nebst Information des Mandanten hierüber. Wir leben von den Empfehlungen zufriedener Mandanten, noch gravierender in der Wirkung sind allerdings verbreitete Negativerfahrungen.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen: Stellen Sie sich den Anforderungen der Gegenwart und bereiten Sie sich auf die Zukunft vor. Der Jahreswechsel bietet den Anlass, das auch tatsächlich umzusetzen, was man immer schon vorhatte. Ich wünsche Ihnen auch in modernen Zeiten eine erfolgreiche Zukunft und ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2015.
Autor: Jörg Elsner
RA und Notar Jörg Elsner LL.M., Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV, Hagen
zfs 1/2015, S. 1