Zu den wieder kehrenden Rechtsproblemen der Vollkaskoversicherung zählt die Frage, wann ein (nicht gedeckter) "Betriebsschaden" vorliegt. Hintergrund ist die Regelung A 2.3.2. der AKB. Danach sind Schäden durch "Unfälle" gedeckt, nicht aber solche aufgrund eines (internen) "Betriebsvorgangs". Unter die "Betriebsschäden", die § 12 AKB vom Versicherungsschutz ausschließt, fallen zunächst alle Schäden, die durch normale Abnutzung, durch Material- oder Bedienungsfehler an dem Fahrzeug oder seinen Teilen entstehen. Betriebsschäden sind ferner Schäden, die zwar auf einer Einwirkung mechanischer Gewalt beruhen, aber zum normalen Betrieb des Kfz gehören (BGH VersR 1969, 32). Die Rspr. hat daher in jüngerer Zeit Schäden durch Quetschung eines Reifens infolge Überfahrens einer Bordsteinkante für nicht gedeckt erachtet (OLG Hamm zfs 2014, 457), Schäden durch Platzen eines Reifens aufgrund eines eingedrungenen größeren Fremdkörpers jedoch für versichert (LG Karlsruhe zfs 2013, 577; anders OLG Hamm 21.4.1989 – 20 U 255/88, für Schäden nach Überfahren kleiner Fremdkörper). Für die Abgrenzung entscheidend ist allein, ob Ursache des Schadens ein "Unfall", also ein unmittelbar von außen mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis ist, oder ob es an einer solchen physischen Berührung des Kfz fehlt, der Schaden in den Worten des Unfallversicherungsvertragsrechts also auf einer Art "Eigenbewegung" des Kfz beruht.
Die AKB schließen folglich auch Schäden am Fahrzeug durch eine "rutschende Ladung" aus. Das gilt jedoch nur insoweit, als die Beschädigungen allein auf der (fehlerhaften) Bedienung des Fahrzeugs beruhen, ohne dass es zu einem Kontakt mit der Außenwelt, also zu einem Unfall, gekommen ist. Das war allerdings in dem von dem OLG München entschiedenen Fall so: Es gab keinen Zusammenstoß mit anderen Fahrzeugen oder der Straßeneinrichtung. Hätte der Fahrzeugführer jedoch nicht geistesgegenwärtig reagiert (und damit das Verrutschen der Ladung verursacht), wäre es zu einem Unfall gekommen. Das kann zu einer Entschädigungspflicht dieser "Rettungsaufwendungen" nach § 83 VVG führen.
Nach § 82 Abs. 1 VVG obliegt es dem VN, bei Eintritt des Versicherungsfalls für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen. Aufwendungen, auch erfolglose, die ihm dabei entstehen, hat der VR zu erstatten (§ 83 Abs. 1 VVG). Für die Sachversicherung erstreckt § 90 VVG dies auf Fälle, in denen, wie im Streitfall, ein Versicherungsfall – der von der Vollkaskodeckung erfasste Unfall beispielsweise durch eine Kollision mit einem anderen Kfz – unmittelbar bevorsteht.
Liegt diese Voraussetzung vor, kommt es darauf an, ob der VN die Rettungshandlung den Umständen nach nicht für geboten halten durfte oder ob er, wäre der Versicherungsfall eingetreten, wegen dessen grob fahrlässiger Herbeiführung eine Quotelung des Entschädigungsanspruchs hätte hinnehmen müssen (OLG Koblenz VersR 2012, 54; OLG Saarbrücken zfs 2011, 331): Dann ist auch der Aufwendungsersatz nach Maßgabe der Schwere des Verschuldens zu quoteln. Bei verrutschender Ladung infolge von Brems- oder Ausweichmanövern, zu denen der VN nicht grob fahrlässig (durch zu geringen Abstand, fehlerhaften Fahrspurwechsel) beigetragen hat, ist eine Quotelung der "Rettungskosten" folglich nicht geboten.
Prof. Dr. Roland Rixecker, Präsident des OLG Saarbrücken
zfs 1/2015, S. 39 - 40