OWiG § 46 § 62, StPO § 147
Leitsatz
Der Verteidiger hat gem. § 46 OWiG, § 147 StPO ein Recht auf Akteneinsicht, das sich auf alle Schriftstücke, Bild-, Video- und Tonaufnahmen bezieht, die für den Betr. entlastend von Bedeutung sein können.
AG Fritzlar, Beschl. v. 7.10.2014 – 04 OWi 11/14
1 Aus den Gründen:
" … Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG ist zulässig und begründet. Der Verteidiger hat gem. § 46 OWiG, § 147 StPO ein Recht auf Akteneinsicht, das sich auf alle Schriftstücke, Bild-, Video- und Tonaufnahmen bezieht, die für den Betr. entlastend von Bedeutung sein können. Auch wenn der vollständige Messfilm nicht zu den Akten genommen wurde, wird der Vorwurf in tatsächlicher Hinsicht darauf mit gestützt. Bedenken hinsichtlich das Datenschutzes greifen nicht durch (so auch: AG Duderstadt, Beschl. v. 25.11.2013 – 3 OWi 300/13; AG Cottbus, Beschl. v. 14.9.2012, StraFO 2012, 409 ff.; AG Senftenberg, Beschl. v. 26.4.2011, DAR 2011, 422)."
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 OWiG, § 467 Abs. 1 StPO entsprechend. … “
Mitgeteilt von RA Winand Koch, Stadtallendorf
2 Anmerkung:
Während zu Beginn der Debatte um den Umfang der Akteneinsicht erst noch einige Pflöcke eingeschlagen werden mussten (KG Berlin zfs 2013, 410; Cierniak, zfs 2012, 664 ff.), ist inzwischen der Rückzug auf den formalen Aktenbegriff (vgl. noch OLG Celle zfs 2013, 412) meiner Ansicht nach nicht mehr zu halten. Allerdings muss der Verteidiger auf einige Details achten: Wenn er nicht – wie hier richtigerweise geschehen – einen Antrag nach § 62 OWiG beim Gericht stellt, wenn ihm die volle Akteneinsicht versagt bleibt, wird er später in der Hauptverhandlung und der Rechtsbeschwerde Schwierigkeiten haben. Denn das AG muss keine Datensätze, Messreihen, Bedienungsanleitungen oder Lebensakten von Amts wegen beiziehen und eine Aussetzung der Hauptverhandlung dürfte auch kaum in Betracht kommen, wenn der Verteidiger die Unterlagen und Daten erst im Termin begehrt. Zudem wird im Rahmen der Rechtsbeschwerde verlangt, dass der Verteidiger dartut, dass er bis zum Ende der Begründungsfrist alles versucht hat, um die gewünschten Daten und Unterlagen zu erhalten. Insofern erachte ich den Hinweis auf § 62 OWiG als das eigentlich Wichtige an dieser Entscheidung, denn dieses Mittel wird viel zu selten genutzt. Ggf. muss man eben der Behörde für die Erfüllung der Akteneinsicht eine Frist setzen mit der Ankündigung, nach dem fruchtlosen Verstreichen direkt die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen. Der Verteidiger sollte sich nämlich nicht darauf verlassen, dass die Behörde die Akten an das Gericht zwecks Entscheidung nach § 62 OWiG weiterleitet, wenn er dies zum Akteneinsichtsgesuch hilfsweise begehrt.
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 1/2015, S. 53 - 54