VVG § 32 § 19; BGB § 306
Leitsatz
Eine Regelung in den Versicherungs- und Tarifbedingungen eines Kfz-Haftpflichtversicherers, wonach bei unzutreffenden Angaben im Versicherungsantrag zu Merkmalen der Beitragsberechnung rückwirkend der Beitrag gilt, der den tatsächlichen Merkmalen entspricht, ist wegen Verstoßes gegen § 19 VVG unwirksam.
LG Dortmund, Urt. v. 10.7.2014 – 2 O 261/13
Sachverhalt
Der Bekl. unterhält eine Fahrzeugflotte von 5 Kastenwagen, mit denen sein Unternehmen Sendungen der H-Group von deren zentralen Warenlager abholt, sortiert, auf die einzelnen Kastenwagen verteilt und innerhalb des Stadtgebietes von E ausliefert. Die Fahrzeuge hatte er in einem speziellen Tarif für Postdienstleister/Paketzusteller haftpflichtversichert. Durch Vermittlung eines Maklers, des Nebenintervenienten, beantragte er im Januar 2012 für seine Fahrzeuge Haftpflicht- und Kaskoversicherungen bei der L, einem Unternehmen der S Gruppe. Als Verwendungszweck der Fahrzeuge wurde im Antrag "Werkverkehr/Privatverkehr" aufgenommen. Die L policierte die Versicherungsverträge antragsgemäß.
Wohl anlässlich eines Versicherungsfalles brachte die L dann in Erfahrung, dass der Bekl. mit seinen Fahrzeugen nicht eigene sondern fremde Güter beförderte. Sie sieht darin eine Änderung eines für die Beitragsberechnung maßgebenden Merkmals und hat deshalb mit Wirkung ab 1.1.2012 (Vertragsbeginn) die Verträge neu policiert mit höheren Prämien. In den Versicherungsscheinen ist als Änderungsgrund: Änderung der Fahrzeugverwendung und Änderung der Regionalklasse angegeben. Daraufhin hat der Bekl. die Verträge gekündigt und ist nunmehr mit seinen Fahrzeugen wieder bei einem VR in einem Tarif für Postdienstleister/Postzusteller versichert. Die Kl. verlangt die erhöhte Prämie.
2 Aus den Gründen:
" … Die Klage ist unbegründet."
Die Kl. kann von dem Bekl. für die Versicherung der Fahrzeugflotte keine Prämien nach dem Tarif für Güterverkehr verlangen.
1. Auf K.4.3. der AKB der L kann die Kl. die Nachforderung auf den zu erhobenen Beitrag für die Versicherung der Fahrzeugflotte des Bekl. nicht stützen. Diese Bestimmung hat unter der Überschrift: “Folgen von unzutreffenden Angaben‘ nachstehenden Wortlaut:
“Machen Sie im Antrag oder während der Laufzeit des Vertrages unzutreffende Angaben zu Merkmalen zur Beitragsberechnung oder haben sie Änderungen nicht angezeigt und ist deshalb ein zu niedriger Beitrag berechnet worden, so gilt rückwirkend ab Beginn des laufenden Versicherungsjahres der Beitrag, der den tatsächlichen Merkmalen zur Beitragsberechnung entspricht.‘
Diese Regelung ist unwirksam, soweit sie die Beitragserhöhung an falsche Angaben knüpft, die im Versicherungsantrag gemacht worden sind. Denn die Bestimmung weicht vom halb zwingenden, § 32 VVG, § 19 VVG zum Nachteil des VN ab und umgeht die in § 19 VVG geregelten Schutzvorkehrungen zugunsten des ASt. So stellt K.4.3 AKB weder auf die in § 19 VVG für erforderlich gehaltene Textform der Antragsfragen ab, noch sieht die Regelung in den AKB als Voraussetzung für das Prämienerhöhungsverlangen eine Belehrung des VR über die Folgen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht vor, wie sie in § 19 Abs. 5, S. 1 VVG geregelt ist.
2. Auf § 19 Abs. 4 VVG kann die Kl. ihr Verlangen nach einer erhöhten Versicherungsprämie ebenfalls nicht stützen. Zwar lässt diese Vorschrift selbst bei schuldloser Anzeigepflichtverletzung eine auf den Beginn der Versicherungsperiode rückwirkende Prämienerhöhung zu und das Verlangen der L nach einer Prämienerhöhung kann zwanglos als Vertragsänderungsverlangen nach § 19 Abs. 4 VVG verstanden werden, allerdings liegen die Voraussetzungen nicht vor, unter denen ein VR nach § 19 VVG berechtigt wäre, die Prämie wegen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zu ändern.
Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die L den Bekl. wie in § 19 Abs. 1, S. 1 VVG gefordert, in Textform nach den für die Tarifierung maßgebenden Umständen gefragt hat oder ob die ganze Auftragsannahme – wie im Maklervertrieb nicht unüblich – in elektronischer Form erfolgt ist (vgl. zum Textformerfordernis OLG Saarbrücken zfs 2013, 223; LG Berlin r+s 2014, 7). Jedenfalls fehlt es aber an einem Hinweis auf die Folgen der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Denn § 19 Abs. 5 S. 1 VVG bestimmt, dass dem VR die Rechte nach dem Absätzen 2 bis 4 nur zustehen, wenn er den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. Die Kl. hat zwar vorgetragen, dass dem Streitverkündeten eine “entsprechende Belehrung‘ zugegangen ist. Trotz Hinweises des Gerichts hat sie aber diese sehr allgemein gehaltene Behauptung weder konkretisiert noch den Hinweis auf die Rechtsfolgen der Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht vorgelegt, so dass das Gericht nicht beurteilen kann, ob ein solcher Hinweis überhaupt den gesetzlichen Anforderungen genügt. Da der VR dafür darlegungs- und beweisbelastet ist, dass er den ASt. in gehöriger Art und Weise auf die Folgen einer Verletzung der vorvertraglichen A...