SGB VI § 178
Leitsatz
Ersatzansprüche gehen nach § 179 Abs. 1a S. 1 SGB VI erst in dem Zeitpunkt über, in dem die Ersatzleistungen nach § 179 Abs. 1 SGB VI erbracht werden.
BGH, Urt. v. 1.7.2014 – VI ZR 546/13
Sachverhalt
Das klagende Bundesland nimmt in Prozessstandschaft für die Bundesrepublik Deutschland den Bekl. auf Ersatz von Rentenversicherungsbeiträgen in Anspruch, die es dem Träger einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen gem. § 179 Abs. 1 S. 1 SGB VI i.V.m. der Verordnung über die Erstattung von Aufwendungen für die gesetzliche Rentenversicherung der in Werkstätten beschäftigten Behinderten erstattet hat.
Der im Frühjahr 1999 17 Jahre alte Schüler B verunglückte bei einem Verkehrsunfall, bei dem er schwere Kopfverletzungen erlitt und seitdem behindert ist. Der beklagte Haftpflichtversicherer des Unfallgegners, den eine Haftungsquote von 30 % trifft, vereinbarte mit dem Verletzten in einer als "Vergleichs- und Abfindungserklärung" bezeichneten Abmachung, dass sich der Verletzte gegenüber dem Bekl. nach dann erfolgter Zahlung von weiteren 80.000 DM mit allen Ansprüchen "für jetzt und für die Zukunft" endgültig abgefunden erklärte.
Seit November 2005 arbeitete B in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen. Das klagende Land hat dem Träger der Einrichtung gem. § 179 Abs. 1 S. 1 SGB VI i.V.m. der AufwendungserstattungsVO Rentenversicherungsbeiträge von ca. 14.000 EUR erstattet, die der Träger der Einrichtung für B für den Zeitraum von 2007–2010 entrichtet hatte. Das klagende Land macht unter Berücksichtigung der Haftungsquote der Bekl. von 30 % den dem Träger der Einrichtung erstatteten Betrag als Prozessstandschafter der Bundesrepublik Deutschland geltend. Weiterhin verlangt das Land die Feststellung der anteiligen Ersatzpflicht der Bekl. für künftige, ab 2011 erstattete Rentenversicherungsbeiträge.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Das BG, das die Revision zugelassenen hat, hat unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung die Klage abgewiesen.
Die Revision des klagenden Landes, das die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils verfolgt, blieb erfolglos.
2 Aus den Gründen:
[7] "… 1. Im Ergebnis zutreffend hält das BG die Klage für zulässig. Zwar macht das klagende Land – anders als das BG zu meinen scheint – keine eigenen, auf das Land “als Träger der örtlichen Sozialhilfe gem. § 179 Abs. 1a, S. 4 SGB VI übergegangen[en]‘ Schadensersatzansprüche geltend, sondern vielmehr fremde, (angeblich) gem. § 179 Abs. 1a S. 1 SGB VI auf den Bund übergegangene Schadensersatzansprüche. Doch bestehen hiergegen keine Bedenken, da das klagende Land gem. § 179 Abs. 1a S. 2 SGB VI prozessführungsbefugt ist. Es handelt sich um einen Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft (vgl. auch Senatsurt. v. 10.7.2007 – VI ZR 192/06, BGHZ 173, 169 Rn 1)."
[8] 2. Mit Recht hält das BG die Klage für unbegründet. Im Zeitpunkt eines möglichen Anspruchsübergangs gem. § 179 Abs. 1a S. 1 SGB VI stand D. B. gegen den Bekl. kein übergangsfähiger Anspruch mehr zu.
[9] a) Der in § 179 Abs. 1a S. 1 SGB VI geregelte Übergang von Schadensersatzforderungen auf den Bund setzt voraus, dass beim Verletzten ein Schadensersatzanspruch entstanden ist, der mit den Erstattungsleistungen des Bundes sachlich und zeitlich kongruent ist (Senatsurt. v. 10.7.2007 – VI ZR 192/06, BGHZ 173, 169 Rn 10 ff.). Dieser Anspruch muss fortbestehen, damit der Forderungsübergang greifen kann. Andernfalls geht der Forderungsübergang ins Leere (vgl. schon RGZ 60, 200, 202 f.).
[10] Im Streitfall ging ein etwaiger dem Verletzten D B gegen den Bekl. zustehender Anspruch auf Ersatz entgangener Beitragsleistungen zur gesetzlichen Rentenversicherung jedenfalls mit Abschluss und Erfüllung der “Vergleichs- und Abfindungsvereinbarung‘ im Jahr 2001 unter, sollte der Anspruch nicht bereits zuvor auf den Bund übergegangen sein. Da die den streitgegenständlichen Ansprüchen zugrundeliegenden Erstattungsleistungen nach den vom BG getroffenen Feststellungen erst ab August 2007 erfolgten, kommt ein Anspruchsübergang auf den Bund mithin nur dann in Betracht, wenn für den Übergangszeitpunkt nicht die Vornahme der Erstattungsleistungen maßgebend ist, sondern der Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses bzw. des – im Streitfall nachfolgenden – Inkrafttretens der Vorschrift des § 179 Abs. 1a SGB VI zum 1.1.2001.
[11] b) Die damit streitentscheidende Frage nach dem Zeitpunkt des Anspruchsübergangs bei Anwendung des § 179 Abs. 1a S. 1 SGB VI ist höchstrichterlich bislang nicht geklärt. Soweit sie im Schrifttum erörtert wird, überwiegt die auch vom BG vertretene Auffassung, es sei bei § 179 Abs. 1a S. 1 SGB VI – anders als im Falle des § 116 SGB X – auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Erstattungsleistungen erbracht werden. Begründet wird dies insb. mit dem Gesetzeswortlaut (vgl. Jahnke, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl., § 843 Rn 43; ders., Der Verdienstausfall im Schadensersatzrecht, 3. Aufl., Kap. 3 Rn 1116; ders., VersR 2005, 1203, 1206 f.; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei...