BGB §§ 280 Abs. 2, 286; VV RVG Nr. 2300, 2302 a.F., 2301 n.F.

Leitsatz

Gerät der Schuldner in Zahlungsverzug, ist auch in rechtlich einfach gelagerten Fällen die Beauftragung eines RA zweckmäßig und erforderlich; ein Mandat zur außergerichtlichen Vertretung muss im Regelfall nicht auf ein Schreiben einfacher Art beschränkt werden.

BGH, Urt. v. 17.9.2015 – IX ZR 280/14

Sachverhalt

Die Mandantin des später klagenden RA führte an dem Kfz des Bekl. Reparaturarbeiten durch. Die Bezahlung von Restbeträgen aus den beiden Rechnungen der Mandantin v. 7. und 11.3.2011 blieb der Bekl. schuldig. Auch auf eine Zahlungsaufforderung sowie auf eine Mahnung der Mandantin reagierte der Bekl. nicht. Die Mandantin beauftragte hieraufhin Ihren RA mit der außergerichtlichen Wahrnehmung ihrer Interessen. Mit anwaltlichem Mahnschreiben v. 20.7.2011 forderte dieser den Bekl. zunächst zum Ausgleich der ersten Rechnung sowie zur Zahlung einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zzgl. Auslagen auf. Mit anwaltlichem Mahnschreiben v. 30.8.2011 verlangte der Anwalt dann Entsprechendes hinsichtlich der zweiten Rechnung. Der Bekl. beglich im September 2011 die Rechnungen der Mandantin. Die eingeforderten Rechtsanwaltskosten zahlte er hingegen nicht.

Der RA, der sich die Forderungen der Mandantin hatte abtreten lassen, verfolgte mit seiner Klage vor dem AG die Zahlung der beiden Geschäftsgebühren. Das AG hat ihm lediglich zwei 0,3 Geschäftsgebühren nach Nr. 2302 VV RVG a.F. = Nr. 2301 VV RVG n.F. nebst Auslagen für jeweils ein Schreiben einfacher Art zugesprochen. Die– vom AG zugelassene – Berufung wegen der Zahlung der Differenz i.H.v. zwei 1,0 Geschäftsgebühren (nach den Urteilsgründen des BGH zwei 0,8 Gebühren) zzgl. anteiliger Auslagen hatte beim LG keinen Erfolg. Auf die Revision des Kl. hat der BGH – durch Versäumnisurteil – das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das BG zurückverwiesen.

2 Aus den Gründen:

[7] "II. … Der aus abgetretenem Recht der Zedentin geltend gemachte materielle Kostenerstattungsanspruch aus §§ 280 Abs. 2, 286 BGB ist nicht auf die 0,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG a.F. (= Nr. 2301 VV RVG) beschränkt."

[8] 1. Nach st. Rspr. des BGH hat der Schädiger nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH BGHZ 127, 348, 350; NJW 2004, 444, 446; NJW 2005, 1112; WuM 2010, 740, BGHZ 200, 20 Rn 48). Maßgeblich ist die ex ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person (BGH NZM 2012, 607). Dabei sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es kommt darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt.

[9] Ein Schadensfall i.d.S. liegt auch vor, wenn der Schuldner einer Entgeltforderung (vgl. BGH NJW 2010, 3226 Rn 12; NJW 2014, 1171) in Zahlungsverzug gerät (vgl. BGH WuM 2010,740; zfs 2015, 585 m. Anm. Hansens = RVGreport 2015, 384 (Hansens)). Zur Beitreibung einer solchen Forderung ist dann regelmäßig selbst in einfach gelagerten Fällen die Beauftragung eines RA erforderlich und zweckmäßig. Das seinerseits Erforderliche tut der Gläubiger dadurch, dass er den Schuldner in Verzug setzt. Eine weitere Verzögerung der Erfüllung seiner Forderung muss er nicht hinnehmen. Vielmehr kann er seinem Erfüllungsverlangen durch Einschaltung eines RA Nachdruck verleihen.

[10] 2. Darf der Gläubiger einer Entgeltforderung die Einschaltung eines RA für erforderlich und zweckmäßig halten, muss er einen Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung in der Regel nicht auf ein Schreiben einfacher Art nach Nr. 2302 VV RVG a.F. (= Nr. 2301 VV RVG) beschränken.

[11] a) Gerät der Schuldner in Verzug, ist er zur Zahlung regelmäßig entweder nicht willens oder nicht in der Lage. Dies kann für den Gläubiger offen zutage treten, wenn der Schuldner Einwendungen gegen die geltend gemachte Forderung erhebt oder auf seine Zahlungsunfähigkeit hinweist. Hingegen bleibt der Grund für die Nichtzahlung für den Gläubiger im Dunkeln, wenn der Schuldner auch auf eine Mahnung nicht reagiert. In jedem Fall darf eine rechtliche Beratung für erforderlich und zweckmäßig halten, die sich zunächst mit dem weiteren Vorgehen zu befassen hat. Ist der Schuldner zahlungsunfähig oder liegt eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung vor, können außergerichtliche Zahlungsaufforderungen durch den RA als nicht erfolgversprechend und daher als nicht zweckmäßig anzusehen sein (vgl. BGH VersR 1974, 639, 641 f.; MüKo-BGB/Ernst, 6. Aufl., § 286 Rn 156; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 286 Rn 45). Dann kommt eine sofortige Titulierung der Forderung in Betracht. Anders ist dies, wenn der Schuldner weitere Verhandlungsbereitschaft zu erkennen gegeben oder bislang gar nicht reagiert hat. Hier kann sich der Versuch einer außergerichtlichen Erledigung unter Zuhilfenahme des RA anbieten.

[12] aa) All dies weiß der Gläub...

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