VVG § 158n S. 3 a.F.; ARB 75 § 1 § 2
Leitsatz
1. Der Anspruch des VN aus der Rechtsschutzversicherung ist auf die Befreiung von den bei der Wahrung der rechtlichen Interessen entstehenden Kosten gerichtet. Der VR kann diesen Befreiungsanspruch hinsichtlich der von ihm nach § 2 Abs. 1a ARB 75 zu tragenden gesetzlichen Vergütung eines Rechtsanwalts auch dadurch erfüllen, dass er dem VN Kostenschutz für einen etwaigen Gebührenprozess zwischen dem VN und seinem Prozessbevollmächtigten zusagt.
2. § 158n S. 3 VVG a.F. hindert den Deckungsschutz gewährenden VR nicht, eine Gebührenforderung des Anwalts mit der Begründung abzuwehren, es handele sich um unnötige Kosten.
BGH, Urt. v. 21.10.2015 – IV ZR 266/14
Sachverhalt
Der Kl. nimmt die Bekl. aus einer Rechtsschutzversicherung in Anspruch, der die ARB 75 zugrunde liegen. Nachdem die Bekl. ihm wegen einer beabsichtigten Inanspruchnahme der Fa. G, an der er sich als stiller Gesellschafter beteiligt hatte, sowie gegen die Konzeptanten, Initiatoren und ehemaligen Vorstände Kostenschutz zugesagt hatte, hat er auf Rat seiner Prozessbevollmächtigten Deckung für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung gegen die Wirtschaftsprüfer wegen Beihilfe zum Betrug, Kapitalanlagebetrug und vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung begehrt. Die Bekl. hat sich auf den Standpunkt gestellt, sie habe bereits Kostenschutz zugesagt, es handele sich gebührenrechtlich um eine Angelegenheit, im Übrigen beinhalte das Leistungsversprechen "Freistellung" bei berechtigten Gebührenforderungen Zahlung an den Anwalt, bei unberechtigten Unterstützung bei ihrer Abwehr. Später stellten die Prozessbevollmächtigten des Kl. einen Güteantrag, mit dem sie nach Auffassung der Bekl. unnötige Kosten verursacht haben sollen; auch insoweit erklärte sich die Bekl. bereit, Kostenschutz für die Abwehr zu gewähren. Der Kl. begehrt nunmehr Freistellung von der die außergerichtliche Tätigkeit und das Güteverfahren betreffenden Gebührenforderung seiner Prozessbevollmächtigten. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat auf die Berufung des Kl. der Klage nur hinsichtlich der Gebührenforderung für das Güteverfahren stattgegeben. Hiergegen richten die Revision des Kl. und die Anschlussrevision der Bekl.
2 Aus den Gründen:
[18] "… 1. Revision der Bekl."
[19] Die Revision der Bekl. ist begründet und führt zur Wiederherstellung des klageabweisenden landgerichtlichen Urteils. Die Klage auf Freistellung von der Gebührenforderung der Prozessbevollmächtigten des Kl. für das Güteverfahren i.H.v. 1.094,80 EUR ist derzeit unbegründet. Die Bekl. hat den bezüglich dieser Forderung im Streitfall bestehenden Anspruch des Kl. auf Kostenbefreiung erfüllt, weil sie ihm Kostenschutz zur Abwehr dieser Gebührenforderung zugesagt hat.
[20] a) …
[21] Nach den im Streitfall vereinbarten ARB 75 ist Versicherungsfall beim Schadensersatzrechtsschutz der Eintritt des dem Anspruch zugrunde liegenden Schadenereignisses (§ 14 Abs. 1 S. 1 ARB 75). Dabei kommt es darauf an, mit welchem Tatsachenvortrag der VN den Schadensersatzanspruch begründet; als frühestmöglicher Zeitpunkt kommt das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht, aus dem der VN den Anspruch herleitet (Senat BGHZ 201, 73 Rn 16 zu § 4 (1) S. 1 a ARB 94). Dies ist hier die Behauptung des Kl., die Wirtschaftsprüfer hätten Beihilfe zu vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, Betrug und Kapitalanlagebetrug der für das Anlagekonzept Verantwortlichen geleistet; diese Beihilfe hat ihre anspruchsbegründende Wirkung erst bei Begehung der Haupttat, mithin im Zeitpunkt der Anlageentscheidung des Kl. entfaltet. … Dies war 1995 bzw. 1996.
[22] b) Zu Unrecht meint das BG, die Bekl. sei schon im Hinblick auf § 158n S. 3 VVG a.F. mit dem Einwand ausgeschlossen, der Kl. sei nicht verpflichtet, seinen Prozessbevollmächtigten die Gebühren für das Güteverfahren zu bezahlen. § 158n S. 3 VVG a.F. hindert den Deckungsschutz gewährenden VR nicht, eine Gebührenforderung des Anwalts mit der Begründung abzuwehren, es handele sich um unnötige Kosten.
[23] aa) § 158n VVG a.F. erfasst nur den Fall, dass der VR Deckungsschutz für eine bestimmte Interessenwahrnehmung versagt, also erklärt, dass keine Leistungspflicht gegenüber dem VN bestehe. Hingegen befasst sich § 158n VVG a.F. nicht mit der Frage, welche Leistungen der VR im Rahmen eines zugesagten Deckungsschutzes zu erbringen hat, insb. unter welchen Voraussetzungen der VR welche Gebühren des vom VN beauftragten Anwalts zu bezahlen hat. Ebenso wenig regelt § 17 ARB 75 diese Frage.
[24] Dies ergibt sich aus einer Auslegung der Normen. Beide sprechen davon, dass der VR seine Leistungspflicht verneint; inhaltlich beziehen sie sich auf die Interessenwahrnehmung sowie auf Erfolgsaussicht und Mutwilligkeit. Die Überschrift von § 17 ARB nennt ausdrücklich die Prüfung der Erfolgsaussichten. Beide Bestimmungen betreffen damit die Frage, ob die Rechtsverfolgung als solche Aussicht auf Erfolg hat oder mutwillig ist (vgl. Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 1 ARB 2010 Rn 14; MüKo-VVG/Ri...