BGB § 259 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
1. In Abweichung von dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann Ersatz des Reparaturaufwands (Reparaturkosten zzgl. einer etwaigen Entschädigung für den merkantilen Minderwert) bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert nur dann verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat.
2. Übersteigen die voraussichtlichen Kosten einer Reparatur den Wiederbeschaffungswert um mehr als 30 %, darf der Geschädigte, der gleichwohl repariert, den ihm zustehenden Entschädigungsbetrag nicht in der Weise aufgliedern, dass er die Kosten bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswertes ersetzt verlangt und den darüber hinaus entstandenen Betrag der Reparaturkosten selbst trägt. Vielmehr kann er nur den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts beanspruchen.
BGH, Urt. v. 2.6.2015 – VI ZR 387/14
Sachverhalt
Der Kl. macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, für dessen Folgen die Bekl. (Halter, Haftpflichtversicherung) in voller Höhe einzustehen haben. Der von der Kl. vorgerichtlich mit der Schätzung des Sachschadens beauftragte Sachverständige ermittelte Reparaturkosten von 2.973,49 EUR brutto, einen Wiederbeschaffungswert von 7.600 EUR und einen Restwert von 470 EUR. Die Kl. ließ den Unfallwagen reparieren. Die Reparatur, bei der auch Gebrauchtteile verwendet wurden, kostete 2.079,79 EUR; der im Gutachten vorgesehene Austausch von Zierleisten und eines Kniestücks unterblieben. Die beklagte Haftpflichtversicherung regulierte den Schaden als wirtschaftlichen Totalschaden und zahlte an den Kl. den Differenzbetrag von Wiederbeschaffungswert und Restwert sowie die Sachverständigenkosten, die vorgerichtlichen Anwaltskosten und die Unkostenpauschale.
Die auf die Zahlung des rechnerisch offen stehenden Restbetrages (Reparaturkosten von 949,79 EUR, Mietwagenkosten von 805,92 EUR und Rechtsanwaltskosten nach dem höheren Gegenstandswert von 129,95 EUR) war beim AG überwiegend erfolgreich. Auf die Berufung der Bekl. wurde der Klage unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der restlichen Reparaturkosten und der darauf entfallenen Anwaltskosten abgewiesen. Die zugelassene Revision hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[5] "… Das Berufungsurteil hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Der Kl. stehen weder die geltend gemachten Reparaturkosten noch Ersatz weiterer Nebenkosten zu."
[6] 1. Nach der Rspr. des erkennenden Senats kann in Abweichung von dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Ersatz des Reparaturaufwands (Reparaturkosten zuzüglich einer etwaigen Entschädigung für den merkantilen Minderwert) bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs nur verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat (vgl. Senatsurt. v. 15.2.2005 – VI ZR 70/04, BGHZ 162, 161, 167 ff.; v. 9.6.2009 – VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 Rn 15; v. 10.7.2007 – VI ZR 258/06, VersR 2007, 1244 Rn 7; v. 8.12.2009 – VI ZR 119/09, VersR 2010, 363 Rn 6; v. 14.12.2010 – VI ZR 231/09, VersR 2011, 282 Rn 8; v. 8.2.2011 – VI ZR 79/10, VersR 2011, 547 Rn 7 und v. 15.11.2011 – VI ZR 30/11, VersR 2012, 75 Rn 5).
[7] 2. Die Instandsetzung eines beschädigten Fahrzeugs ist – wovon das BG im Ansatz zutreffend ausgeht – in aller Regel wirtschaftlich unvernünftig, wenn die (voraussichtlichen) Kosten der Reparatur – wie hier – mehr als 30 % über dem Wiederbeschaffungswert liegen (vgl. Senatsurt. v. 8.2.2011 – VI ZR 79/10, a.a.O.). In einem solchen Fall, in dem das Kfz nicht mehr reparaturwürdig ist, kann der Geschädigte vom Schädiger grds. nur Ersatz der für die Beschaffung eines gleichwertigen Fahrzeugs erforderlichen Kosten, also den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts, verlangen. Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug dennoch reparieren, so können die Kosten nicht in einen vom Schädiger auszugleichenden wirtschaftlich vernünftigen (bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswerts) und einen vom Geschädigten selbst zu tragenden wirtschaftlich unvernünftigen Teil aufgespalten werden (vgl. Senatsurt. v. 15.10.1991 – VI ZR 67/91, BGHZ 115, 375, 378 ff.; v. 10.7.2007 – VI ZR 258/06, VersR 2007, 1244 Rn 6 und v. 8.2.2011 – VI ZR 79/10, a.a.O. Rn 6).
[8] 3. Entgegen der Auffassung des BG hat das vorgerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten im Rahmen der Schadensschätzung, die sich grds. an den Preisen der markengebundenen Fachwerkstatt zu orientieren hat, jedoch keine absolute Bedeutung für die Frage, welche Reparaturkosten tatsächlich i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ersatzfähig sind. Dementsprechend hat der erkennende Senat entschieden, dass jedenfalls in Fällen, in denen die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten über der 130 %-Grenze liegen, es dem Geschädigten aber – auch unter Verwendung von Gebrauchtteilen – gelungen ist, eine nach Auffassung des sachverständig beratenen...