1. Der Einsatz von Fax-Geräten zur Übermittlung von Schriftsätzen zur Fristwahrung und für die Übermittlung vorbereitender Schriftsätze gehört zur arbeitserleichternden üblichen Praxis im Gerichtswesen.
Die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax ist nach einer Entscheidung des BGH in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig (vgl. BGH MDB 2003, 766). Damit bedarf es keiner Bestätigung auf konventionellem Postweg durch Einreichen des Originals (vgl. BGH NJW1993, 3141). Gegen diese Weichenstellung des BGH hatten sich das LG Berlin und das LG Wiesbaden gewandt, weil bei Einreichen des Telefax nicht festgestellt werden könne, dass als Kopiervorlage das Original mit der Unterschrift des Anwalt zugrunde gelegen habe (vgl. LG Berlin NJW 2000, 3291; LG Wiesbaden NJW 2001, 3636). Diese Auffassung verwarf der BGH durch Beschl. v. 27.1.2004 – I ZB 30/03, gab allerdings die Möglichkeit frei, dass bei streitiger Originalunterschrift des postulationsfähigen Anwalts entsprechende Feststellungen im Wege des Freibeweises zu treffen seien (vgl. Hansens, JBl 2004, 456).
Fortschritte in der technischen Entwicklung führten zu dem Einsatz des Computerfax. Dabei war der Ausgangsschriftsatz nicht in Papierform vorhanden, sondern elektronisch abgespeichert. Das Erfordernis der Unterschrift im Ausgangsschriftsatz sollte dadurch gewahrt werden, dass der handschriftliche Namenszug in die Datei eingescannt wurde und sodann ausgedruckt wurde. Der BGH bemängelte dieses Verfahren als unzulässig (vgl. NJW 1998, 3649) und legte diese Frage dem Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vor, der in Abweichung von dem BGH diese Praxis billigte (NJW 2000, 2340); der BGH folgte dieser Entscheidung (BGH NJW 2001 331; Leipold, in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 130 Rn 47). Für vorbereitende Schriftsätze bestätigt § 130 Nr. 6 ZPO die Wirksamkeit der Übermittlung per Telefax. Der Gemeinsame Senat sah die Übermittlung per Telefax als gewohnheitsrechtlich legitimiert an.
2. Ausganspunkt für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Zugangs eines Schriftsatzes per Telefax ist die Feststellung, ob der Schriftsatz am letzten Tag der Frist bis 24.00 Uhr in dem Empfangsgerät des Gerichts ausgedruckt worden ist (vgl. BGH NJW 1987 2586; BGH NJW-RR 2016, 816). Nachdem bereits in den Neunziger Jahren erörtert wurde, welche Fehlerquellen dem Ziel der Wahrung der Frist entgegenstehen konnten (vgl. Damke, ZIP 1995, 722), wurde einige Jahre später festgestellt, dass die Übersendung per Telefax einen "schier unerschöpflichen Quell von Fehlermöglichkeiten und damit verbundenen Wiedereinsetzungsmöglichkeiten" geschaffen habe (Chab, BRAK-Mitteilungen 2004, 221).
Ausgangspunkt ist die gesicherte Feststellung, dass der fehlende vollständige Eingang des per Telefax übermittelten Schriftsatzes im Empfangsgerät des Gerichts, das auch nach Dienstschluss noch Schriftsätze empfangen muss, vor 24.00 Uhr des letzten Tages zur wahrenden Frist als Fristversäumnis zu werten ist.
3. Damit verbleibt das Wiedereinsetzungsgesuch zur Überwindung der fehlenden Wahrung der Frist und die Untersuchung der Fehlerquellen darauf, ob sich aus ihnen ein fehlendes Verschulden des Anwalts herleiten lässt (§ 233 ZPO). Dem sehr reichhaltigen Rechtsprechungsmaterial lassen sich typische Fallgruppen entnehmen.
a) Falsche Telefaxnummer des Empfangsgerätes
Bei der Ermittlung der richtigen Telefaxnummer genügt es nicht, wenn sich der Anwalt oder die von ihm damit betraute zuverlässige Kraft mit der Auskunft der Telekom begnügt (vgl. BGH NJW 1994, 2300). Hatte der Anwalt zur Ermittlung der richtigen Telefaxnummer zuverlässiges Personal beauftragt, was zulässig ist (BVerfG NJW 2004, 2583, BGH NJW 2000, 1043), darf sich der Anwalt auf ein privates Verzeichnis des Deutschen Anwaltverlages (vgl. BGH NJW 2004, 2830) oder ein bewährtes zuverlässiges EDV-Programm verlassen (vgl. LAG Hamburg BRAK-Mitteilung 2004, 161). Trifft der Anwalt organisatorische Maßnahmen dieses Inhalts, ist bei einer irrtümlich falsch gewählten Nummer durch sein Personal und darauf beruhender Versäumung einer Notfrist das glaubhaft gemachte Wiedereinsetzungsgesuch (eidesstattliche Versicherung der betroffenen Kraft) begründet.
b) Übermittlungsstörungen
Ein fehlender Zugang des per Fax übermittelten Schriftstücks kann auch auf Übermittlungsstörungen des Sendergerätes und des Empfangsgerätes beruhen. Unerwartet auftretende Mängel des Sendegerätes, die trotz ausreichender Wartung eingetreten sind und innerhalb der zu wahrenden Frist nicht mehr behoben werden können, begründen kein Verschulden des Anwalts.
Der Anwalt ist auch nicht verpflichtet, innerhalb kürzester Zeit eine andere Form der Übermittlung als die gewählte Telefaxübertragung (Bote, Post, Überbringung per Pkw, Beauftragung eines am Sitz des Gerichts zugelassenen Anwalts) zu wählen (vgl. BVerfG NJW 2001, 3473; BGH NJW-RR 2004, 283).
Häufiger sind Funktionsstörungen des Empfangsgerätes der Justiz. Die Justizverwaltung hat auch nach Dienstschluss die Funktionsfäh...