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Das strafrechtliche Fahrverbot nach § 44 StGB fristete im Vergleich zum Fahrverbot in Bußgeldsachen und der strafrechtlichen Fahrerlaubnisentziehung eigentlich schon fast ein "Schattendasein". Nicht tatsächlich, aber in der strafrechtlichen Literatur. Derzeit ist es wieder in aller Munde, soll doch der Anwendungsbereich nach Ansicht vieler (Rechts-)Politiker verbreitert werden. Der Beitrag gibt einen Überblick über die wesentlichen Probleme der Norm und stellt die beabsichtigte Änderung vor, die auch Gegenstand des Arbeitskreises I des Verkehrsgerichtstages 2017 ist.
A. Ausgangspunkt: Norminhalt
Nach § 44 Abs. 1 S. 1 StGB kann demjenigen, der wegen einer Straftat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, zu einer Freiheitsstrafe oder Geldstrafe verurteilt wird, durch das Gericht verboten werden, im Straßenverkehr Fahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. Das Fahrverbot nach § 44 StGB ist ausweislich der Gesetzesüberschrift eine Nebenstrafe. Es erfüllt also zunächst eine Erziehungsfunktion ("Denkzettel"), kann aber auch wegen des Charakters als Nebenstrafe im Einzelfall generalpräventive Ziele verfolgen.
B. Verhältnis von Haupt- und Nebenstrafe: Wechselwirkung
Im Hinblick auf die Anordnung eines Fahrverbots besteht eine Wechselwirkung zwischen Haupt- und Nebenstrafe dergestalt, dass beide gemeinsam betrachtet die Tatschuld nicht überschreiten dürfen. Das tatrichterliche Urteil muss so erkennen lassen, dass das Gericht diese Wechselwirkung berücksichtigt hat – das Fahrverbot darf nur verhängt werden, wenn die Hauptstrafe allein nicht ausreicht.
Diese Wechselwirkung legt es Nahe, mit dem Richter – wie in Bußgeldsachen – über ein Absehen vom Fahrverbot oder auch eine Verkürzung der ins Auge gefassten Fahrverbotlänge (z.B. nach Strafbefehlserlass!) gegen angemessene Erhöhung der Hauptstrafe zu verhandeln.
Soll ein Fahrverbot trotz fehlenden Hinweises in Anklageschrift oder Eröffnungsbeschluss festgesetzt werden, so ist ein rechtlicher Hinweis nach § 265 StPO wohl erforderlich; dies soll aber – trotz unterschiedlicher Zielrichtung – nicht gelten, wenn die Fahrerlaubnisentziehung beantragt war, nun aber nur auf Fahrverbot erkannt werden soll. Wegen der Wechselwirkung zwischen Haupt- und Nebenstrafe (die wie oben dargestellt zusammen betrachtet schuldangemessen sein müssen) kommt eine Rechtsmittelbeschränkung nur auf die Frage der Überprüfung der Richtigkeit des Fahrverbots grundsätzlich nach herrschender Meinung nicht in Betracht. Vielmehr unterliegt dann das Urteil wegen unzulässiger Rechtsmittelbeschränkung insgesamt der Überprüfung der nächsten Instanz. Die Anhebung des Betrags der Tagessätze einer Geldstrafe zur Kompensation eines nach § 44 Abs. 1 StGB in Betracht kommenden Fahrverbots ist aber nur in dem durch die Bemessungsvorschrift des § 40 Abs. 2 StGB gezogenen Rahmen möglich. Es ist daher sachlich-rechtlich unzulässig, eine die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten übersteigende Tagessatzhöhe festzusetzen, um auf diese Weise die Verhängung eines an sich gebotenen Fahrverbots zu vermeiden. Eine Anhebung des Betrags der einzelnen Tagessätze ist zwar mit § 331 Abs. 1 StPO vereinbar, sofern ein Gesamtvergleich des früheren und des neuen Rechtsfolgenausspruchs ergibt, dass der Angeklagte wirtschaftlich nicht schlechter gestellt wird als bei einem Fortbestand der Nebenstrafe. Das Urteil muss so tatsächliche Feststellungen sowohl zu den derzeitigen als auch zu den für den Fall des Absehens vom Fahrverbot sich abzeichnenden wirtschaftlichen Verhältnissen enthalten. Eine Erhöhung der Tagessatzanzahl verstößt in der Berufungsinstanz bei alleinigem Rechtsmittel des Angeklagten gegen das Verschlechterungsverbot, weil sich die Länge der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 S. 2 StGB nach der Anzahl der Tagessätze bemisst und die Ersatzfreiheitsstrafe im Verhältnis zum Fahrverbot die schwerere Strafe darstellt.