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Im September 2015 informierte die US-amerikanische Environment Protection Agency (EPA) die Öffentlichkeit darüber, dass sie dem Volkswagenkonzern vorwirft, in verschiedenen Dieselfahrzeugen eine "Mogelsoftware" einzusetzen. Seitdem ist vor den deutschen Gerichten ein neues "Streitfeld" eröffnet worden, in dem eine Vielzahl von Verbrauchern versucht, die entsprechenden Ansprüche gegenüber dem VW-Konzern sowie den Autohändlern durchzusetzen.
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Während sich in den USA Käufer von abgasmanipulierten Fahrzeugen über wohlwollend ausgehandelte Schadensersatzzahlungen freuen können, ist die Rechtsprechung in Deutschland zum VW-Abgasskandal noch in ihrer "wackeligen Entstehungsphase". Erste obergerichtliche Entscheidungen sind gesprochen bzw. warten auf die Erkenntnisse von Sachverständigengutachtern, die die Software oder die Nachbesserungsmöglichkeiten der Software untersuchen.
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Der betroffene Verbraucher in Deutschland kann somit nicht gerade auf eine gefestigte Rechtsprechung blicken und steht nun vor der Risikoabwägung, einen Rechtsstreit aufzunehmen, der ihn inklusive Kosten für mögliche Sachverständigengutachten ein weiteres "kleines Vermögen" kosten kann. In Goslar diskutiert der Verkehrsgerichtstag 2017 über Empfehlungen zur Verbesserung dieser Situation. Der nachfolgende Beitrag soll einen Überblick über die rechtlichen Fragestellungen geben, den Stand der Rechtsprechung sowie einen Ausblick darstellen.
A. Die "Mogelsoftware"
Technisch geht es bei dem VW-Abgasskandal um Fälle, in denen überwiegend Diesel-Kfz mit einer manipulierten Abgassoftware zur Optimierung der Stickoxid-Emissionswerte (NOx) im behördlichen Prüfverfahren ausgestattet worden sind. Danach soll die Software erkennen, ob sich das Kfz auf einem technischen Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte oder im üblichen Straßenverkehr befindet. Auf dem Rollenprüfstand soll die eingebaute Software beim Stickoxid-Ausstoß ein anderes Motorprogramm abspielen als im Normalbetrieb. Dabei erkennt die Software die unnatürliche Prüfsituation in Form von hohen Raddrehzahlen ohne Bewegung des Fahrzeugs. Hierdurch sollen auf dem Prüfstand geringere NOx-Werte erzielt und nur so die nach der Euro-5-Abgasnorm vorgegebenen NOx-Grenzwerte eingehalten werden. Im normalen Fahrbetrieb werden dagegen Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb gesetzt, weshalb die NOx-Emissionen dann erheblich höher sind. In Deutschland sind hiervon ca. 2,4 Millionen Fahrzeuge des VW-Konzerns betroffen. Bereits 2015 hat VW eine Rückrufaktion für die betroffenen Fahrzeuge in Aussicht gestellt, bei der die Software wieder entfernt werden soll. Testergebnisse über mögliche Veränderungen von Motorleistung und Verbrauch durch die Softwareumstellung liegen bislang nicht vor. Wie im Dezember 2016 bekannt wurde, hat auch die EU-Kommission wegen mutmaßlicher Versäumnisse ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet. Das Verkehrsministerium hat nunmehr zwei Monate Zeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Auch die Opposition im Bundestag erhebt Vorwürfe, dass das Kraftfahrtbundesamt als Aufsichtsbehörde allzu großzügig gegenüber der Automobilindustrie bei seinen Untersuchungen vorgeht. Ob und inwieweit andere Automobilhersteller die bestehenden Vorschriften zumindest gedehnt haben, ist noch nicht vollends aufgeklärt.
B. Ansprüche des Verbrauchers
Das Gesetz gibt dem Käufer eines mit abgasmanipulierter Software ausgestatteten Fahrzeugs die Möglichkeit der Anfechtung des Kaufvertrags, Gewährleistungsansprüche aus dem Kaufvertrag sowie Ansprüche aus Deliktsrecht (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bzw. § 826 BGB) an die Hand.
I. Anfechtung wegen arglistiger Täuschung
Bei der rechtlichen Beurteilung einer Anfechtung des Kaufvertrags ist dabei zunächst zu beachten, dass der Käufer in der Regel sein Fahrzeug bei einem Händler und nicht direkt beim VW-Konzern erworben hat. Problematisch für eine Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB ist die Zurechnung der Täuschungshandlung. Arglist erfordert dabei wenigstens bedingten Vorsatz, jedoch keine Absicht oder Schädigungsvorsatz. Je nachdem wie eng das jeweilige Autohaus mit dem VW-Konzern verbunden ist, bieten sich Argumentationsansätze für eine Wissenszurechnung des Fahrzeugverkäufers im Hinblick auf den Einbau der manipulierten Software.
So hat beispielhaft das LG München eine arglistige Täuschung des beklagten Autohauses bejaht und ihm das Wissen der Ingenieure des Mutterkonzerns zugerechnet. In dem vom LG München zu beurteilenden Fall hielt der VW-Mutterkonzern über mehrere zwischengeschaltete Gesellschaften Gesellschaftsanteile an dem beklagten Autohaus. Das Gericht glaubte hier ferner dem Kläger, dass die Täuschung ursächlich für die Willensbildung des Klägers gewesen sei und dass er in Kenntnis der wahren Abgaswerte seines erworbenen Fahrzeugs eine andere Kaufentscheidung getroffen hätte.
Anders wurde diese Frage vom OLG Celle bewertet. Insbesondere deshalb, da lediglich einem kleinen Teil der Mitarbeiter des VW-Konzerns ...