Hinweis: Nach BayVGH, Urt. v. 11.8.2015 – 11 BV 15.909 (zfs 2015, 654) tritt eine Punktereduzierung nach § 4 Abs. 6 S. 3 StVG tritt nur ein, wenn der Fahrerlaubnisbehörde am Tag des Ausstellens der ergriffenen Maßnahme weitere Verkehrsverstöße bekannt sind, die zu einer Einstufung in eine höhere Stufe nach § 4 Abs. 5 S. 1 StVG führen. Die Fahrerlaubnisbehörde muss sich die Kenntnis einer anderen Behörde (z.B. Staatsanwaltschaft, Kraftfahrt-Bundesamt) über eine rechtskräftig geahndete Verkehrszuwiderhandlung, die im Fahreignungsregister einzutragen ist, im Rahmen des § 4 Abs. 5 S. 6, Abs. 6 S. 4 StVG nur dann zurechnen lassen, wenn ein Berufen auf die Unkenntnis als rechtsmissbräuchlich einzustufen wäre. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn die Verzögerung der Mitteilung nicht nur auf einem bloßen Versehen beruht, sondern willkürlich, insb. mit dem Ziel, eine Punktereduzierung zu verhindern, hervorgerufen wurde (BayVGH, Beschl. v. 28.4.2016 – 11 CS 16.537, zfs 2016, 415). Nach VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 6.8.2015 – 10 S 1176/15 (Ls. 1 und 2), kann die Entziehung einer Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG in der ab dem 5.12.2014 geltenden Fassung auch auf eine Zuwiderhandlung gestützt werden, die bereits vor der Zustellung der Verwarnung begangen wurde, aber der Fahrerlaubnisbehörde erst nach der Verwarnung bekannt geworden ist. Die Einschränkung des Tattagprinzips bei Anwendung der Bonusregelung des § 4 Abs. 6 StVG in der ab dem 5.12.2014 geltenden Fassung begegnet nach VGH Bad.-Württ. a.a.O. jedenfalls dann keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Fahrerlaubnisbehörde die Maßnahme unmittelbar nach Kenntniserlangung von der maßgeblichen Zuwiderhandlung ergreift. Auch nach NdsOVG, Beschl. v. 1.9.2015 – 12 ME 91/15 (Ls. unter Hinweis auf VGH Bad.-Württ. a.a.O.) begründet die mit Gesetz v. 28.11.2014 eingefügte Vorschrift des § 4 Abs. 5 S. 6 Nr. 1 StVG, nach der bei der Berechnung des Punktestands Zuwiderhandlungen unabhängig davon berücksichtigt werden, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind, durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht. Schließlich NdsOVG, Beschl. v. 21.11.2016 – 12 ME 156/16: Soweit nach § 4 Abs. 5 S. 5 StVG die Behörde für das Ergreifen der Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem auf den Punktestand abzustellen hat, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat, ist auf die nach dem Tattagprinzip zuletzt begangene Tat abzustellen.
Zum neuen Punktsystem und Fahreignungsregister: Reisert, Das Fahreignungsregister in der anwaltlichen Praxis, 2. Aufl. 2016; Zwerger in Haus/Zwerger, Verkehrsverwaltungsrecht, 3. Aufl. 2017, § 13 Rn 1 ff.
zfs 1/2017, S. 55 - 60