VVG § 1 § 215
Leitsatz
Verpflichtet sich der Vermittler eines Mietwagens zur Übernahme der Selbstbeteiligung des Mieters im Schadenfall, liegt kein Versicherungsvertrag i.S.v. § 215 Abs. 1 S. 1 VVG vor.
BGH, Urt. v. 23.11.2016 – IV ZR 50/16
Sachverhalt
Der Kl. begehrt von der Bekl. die Erstattung der Selbstbeteiligung in einem Schadenfall. Die in München ansässige Bekl. vermittelt über das Internet Mietwagen von Drittunternehmen. Der Kl. gelangte im Februar 2013 über ein Internetvergleichsportal auf die Internetseite der Bekl., nachdem er das Suchmerkmal "ohne Selbstbeteiligung" angegeben hatte. Dort buchte er über die Bekl. für eine Reise einen Mietwagen der Firma H zum Preis von 303,68 EUR. Nach Abschluss des Buchungsvorgangs erhielt der Kl. von der Bekl. eine Buchungsbestätigung. Dort heißt es auf der ersten Seite unter
"In Ihrem Mietpreis enthalten: …"
Inklusive Haftungsbeschränkung und Diebstahlschutz für das Mietfahrzeug mit einer Selbstbeteiligung von ca. EUR 2.500.
Erstattung der Selbstbeteiligung im Schadensfall. …
In Ihrem Mietpreis nicht enthalten: …
Eine optionale Versicherung zur weiteren Reduzierung der Selbstbeteiligung kann vor Ort beim Vermieter gegen eine zusätzliche Gebühr abgeschlossen werden. … “
In der Buchungsbestätigung heißt es unter "Vermittlungs-/Vermietkonditionen" unter anderem:
"… nimmt die Buchung Ihres Mietwagen beim Autovermieter vor, so wie auf dem Voucher angegeben und bucht die Zahlung im Namen des Autovermieters ab. Der Voucher ist kein Mietvertrag und … vermietet keine Fahrzeuge. …"
… stellt keine Versicherung. Die Versicherungsdeckung stellt der Autovermieter wie im Mietvertrag angegeben. Zusätzliche Versicherungen können vor Ort gegen eine zusätzliche Gebühr beim Vermieter abgeschlossen werden. … “
sowie (in kleinerer Schriftgröße)
"Wenn Sie ein … Produkt gebucht haben, das die Erstattung der Selbstbeteiligung im Schadensfall und bei Diebstahl des Mietfahrzeugs beinhaltet, wird Ihnen … unter bestimmten Voraussetzungen den Betrag erstattet, den Sie an den Vermieter bezahlt haben. Diese mögliche Erstattung ist KEINE Versicherung sondern ein Service von … , über den die Gesellschaft im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens entscheidet. …"
Bei Unfällen, bei Diebstahl und bei neu entdeckten Schäden am Mietfahrzeug muss die örtliche Polizei umgehend, jedoch spätestens innerhalb von 24 Stunden nach Schadensfeststellung, benachrichtigt und ein Polizeibericht erstellt werden. …
Sollte die o.g. Vorgehensweise nicht befolgt werden, kann dies zu einer Ablehnung der Erstattung der Selbstbeteiligung führen. … “
Der Kl. zahlte den Mietpreis an die Bekl. und erhielt bei dem Autovermieter gegen Vorlage der Buchungsbestätigung und Zahlung einer Kaution in Höhe der Selbstbeteiligung von 2.500 EUR einen Mietwagen. Er teilte dem Mietwagenunternehmen und der Bekl. in der Folge mit, mit dem Mietwagen einen Verkehrsunfall mit einem Fahrzeugschaden von mehr als 3.000 EUR erlitten zu haben. Eine polizeiliche Aufnahme des Unfalles erfolgte nicht. Der Autovermieter behielt daraufhin die Kaution i.H.v. 2.500 EUR ein.
Der Kl. begehrt von der Bekl. die von dieser zuvor abgelehnte Erstattung des Betrags i.H.v. 2.500 EUR und hat diesen beim AG seines Wohnsitzes gerichtlich geltend gemacht. Die Bekl. hat unter anderem die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt.
2 Aus den Gründen:
[7] "… I. Das BG hat ausgeführt, die örtliche Zuständigkeit ergebe sich nicht aus § 215 Abs. 1 VVG, weil die Parteien nicht über Ansprüche aus einem Versicherungsvertrag stritten. Die zentrale vertragliche Vereinbarung der Parteien liege in der Vermittlung von Mietwagen. Die Vermittlung stelle auch aus Sicht des Kl. die zentrale Leistung der Bekl. dar. Im Rahmen der durch die Bekl. vermittelten Verträge biete diese ihren Kunden unter bestimmten Voraussetzungen – letztlich als besonderes Verkaufsargument – die Erstattung einer Selbstbeteiligung an. Dieser Erstattung komme neben der Vermittlung von Mietwagen jedoch keine eigenständige Bedeutung zu. Der Kunde erbringe auch für die Erstattung der Selbstbeteiligung weder unmittelbar noch mittelbar über die seitens der Mietwagenunternehmen gezahlten Provisionen eine Gegenleistung. Die Prämienzahlungspflicht des VN stelle jedoch dessen Hauptleistungspflicht in einem Versicherungsvertragsverhältnis dar. Nach gefestigter Rspr. fänden überdies die Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes auf das Vertragsverhältnis zwischen Kunden und gewerblichem Mietwagenanbieter keine unmittelbare Anwendung. Infolgedessen könne die Vermittlung von Mietwagen erst recht nicht als Versicherung angesehen werden."
[8] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die gegen die Entscheidung des BG gerichtete Revision ist zwar statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch als unbegründet zurückzuweisen.
[9] 1. Die Revision ist bereits deshalb unbegründet, weil sie gem. § 545 Abs. 2 ZPO nicht darauf gestützt werden kann, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint ha...