SDÜ Art. 41; SchÜbkG RP Art. 41
Leitsatz
1. Weder Art. 41 SDÜ noch eine sonstige völkerrechtliche Vereinbarung erlaubt es deutschen Polizeibeamten, im Zusammenhang mit der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit eine strafprozessuale Ermittlungshandlung auf dem Staatsgebiet des Großherzogtums Luxemburg ohne vorherige Erlaubnis der dafür zuständigen luxemburgischen Behörde vorzunehmen.
2. Aus Art. 41 des SchÜbkG RP ergibt sich, dass eine Nacheile nur unter engen Voraussetzungen zulässig ist und den nacheilenden Beamten nur in Ausnahmefällen ein Festhalterecht zusteht. Eine Identitätsfeststellung der angehaltenen Person darf unter keinen Umständen durch die nacheilenden Beamten erfolgen.
3. Durch die Identitätsfeststellung auf luxemburgischem Hoheitsgebiet wird gegen ein Beweiserhebungsverbot verstoßen, das auch ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht, jedenfalls wenn es – wie hier – nur um die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit geht. Denn das Territorialitätsprinzip gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts i.S.d. Art. 25 GG. Es ist “Bestandteil des Bundesrechtes’ und geht einfachen Gesetzen vor. Ein Verstoß gegen das Territorialitätsprinzip ist somit zugleich eine Verletzung hochrangigen nationalen Rechts.
OLG Koblenz, Beschl. v. 30.10.2014 – 1 OWi 3 SsBs 63/14
Sachverhalt
Dem verkehrsrechtlich bislang nicht in Erscheinung getretenen Betr. wurde wegen tateinheitlich begangener Geschwindigkeits- und Abstandsverstöße eine Geldbuße von 350 EUR sowie ein Fahrverbot von einem Monat auferlegt. Hiergegen hat der Betr. form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Das AG Trier hat den Betr. freigesprochen.
Das AG stellte zur Ermittlung des Verstoßes fest: Am 15.7.2013 verfolgte ein Zivilfahrzeug der Zentralen Verkehrsdienste beim Polizeipräsidium Trier das Fahrzeug zunächst auf der B 52 in der Gemarkung Trier in Fahrtrichtung Luxemburg. Da das Fahrzeug den Beamten durch hohe Geschwindigkeit auffiel schaltete PHK S als Messbeamter das in dem Dienstfahrzeug eingebaute Messgerät Provida 2000 ein und zeichnete das Fahrverhalten des Fahrzeugs in der Folgezeit auf. Die Beamten folgten dem Fahrzeug über mehr als 9 Minuten und hielten es schließlich auf dem kurz hinter dem Grenzübergang zu Luxemburg auf luxemburgischem Hoheitsgebiet gelegenen Rastplatz an. Dort stellten sie den Betr. als Fahrzeugführer fest und notierten seine Personalien. Der Betr. hat der Verwertung dieser Feststellung widersprochen.
Zur rechtlichen Prüfung führte das AG aus: Die Feststellung des Betr. als verantwortlichen Fahrzeugführer ist nicht verwertbar. Ein Tatnachweis seiner Fahrereigenschaft konnte auf andere Weise nicht geführt werden. Art. 41 des Landesgesetzes zu dem Schengener Übereinkommen v. 19.6.1990 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen v. 22.12.1992 (SchÜbkG RP) regelt detailliert, unter welchen Voraussetzungen die einem Verdächtigen nacheilenden Beamten zum Grenzübertritt berechtigt sind und welche Befugnisse ihnen auf fremdem Hoheitsgebiet im Einzelnen zustehen. Nach Art. 41 Abs. 1 SchÜbkG RP darf die Verfolgung von auf frischer Tat betroffenen Verdächtigen auf das Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei ohne deren vorherige Zustimmung nur fortgesetzt werden, wenn eine Straftat nach Art. 41 Abs. 4 SchÜbkG RP vorliegt. Art. 41 Abs. 4 SchÜbkG RP führt neben den auslieferungsfähigen Straftaten schwerwiegende Straftaten wie Mord, Totschlag, Vergewaltigung, vorsätzliche Brandstiftung, schwerer Diebstahl, Hehlerei und Raub, Erpressung etc. auf. Einziges Verkehrsdelikt ist unerlaubtes Entfernen vom Unfallort mit schwerer Körperverletzung oder Todesfolge. Eine Verfolgung ist darüber hinaus zulässig, wenn die verfolgte Person sich in Untersuchungs- oder Strafhaft befand und aus der Haft geflohen ist.
Selbst bei erlaubtem Grenzübertritt sind hohe Verhaltensanforderungen an die nacheilenden Beamten gestellt. So regelt Art. 41 Abs. 1 SchÜbkG RP, dass die nacheilenden Beamten spätestens beim Grenzübertritt Kontakt mit der zuständigen Behörde des Gebietsstaates aufzunehmen haben. Dies ist vorliegend ebenfalls nicht geschehen. Nach Art. 41 Abs. 5d SchÜbkG RP müssen die nacheilenden Beamten als solche eindeutig erkennbar sein, entweder durch eine Uniform, eine Armbinde oder durch an dem Fahrzeug angebrachte Zusatzeinrichtungen. Das Tragen von Zivilkleidung und die Benutzung eines getarnten Polizeifahrzeugs ohne die vorgenannte Kennzeichnung ist nicht zulässig. Den nacheilenden Beamten steht nach Art. 41 Abs. 2a SchÜbkG RP grundsätzlich kein Festhalterecht zu. Nur wenn die örtlichen Behörden nicht rechtzeitig herangezogen werden können, dürfen die nacheilenden Beamten die Person festhalten bis die Beamten des Gebietsstaates, die unverzüglich zu unterrichten sind, die Identitätsfeststellung oder die Festnahme vornehmen, Art. 41 Abs. 2b SchÜbkG RP. Aus Art. 41 des SchÜbkG RP ergibt sich somit, dass eine Nacheile nur unter engen Voraussetzungen zulässig ist und den nacheilenden Beamten nur in Ausnahmefällen ein Festhalterecht zuste...