BGB § 812 Abs. 1 S. 1 § 814
Leitsatz
1. Auch wenn bloße Zweifel am Bestehen der Nichtschuld einem Herausgabeverlangen nicht entgegenstehen, kann nach den besonderen Umständen des Einzelfalls bei Leistung trotz bestehender Zweifel ein Verzicht auf Bereicherungsansprüche zu sehen sein, wenn der Empfänger aus dem Verhalten des Leistenden nach Treu und Glauben den Schluss ziehen durfte, der Leistende wolle die Leistung gegen sich gelten lassen, unabhängig vom Bestehen der Schuld.
2. Erforderlich ist eine erkennbare Absicht des Leistenden, seine Leistung auch für den Fall der Nichtschuld bewirken zu wollen. Maßgeblich ist dabei, wie das Verhalten des Leistenden im Einzelfall objektiv aufzufassen ist.
OLG Hamm, Urt. v. 26.7.2016 – I-9 U 150/15
Sachverhalt
Nach einem Parkplatzunfall machte der Kl. gegen den Halter des an dem Unfall beteiligten Kfz, den Bekl. zu 1) und die Bekl. zu 2) als Haftpflichtversicherer Schadensersatzansprüche geltend. Vorprozessual zahlte die Bekl. zu 2) auf den von dem Kl. bezifferten Schaden von 20.433,60 EUR unter Zugrundelegung der Abrechnung auf Totalschadensbasis und einer Haftungsquote von 50 % an den Kl. 5.460,42 EUR. Der Bekl. zu 2) war im Zeitpunkt der Leistungserbringung aufgrund der Einsicht in die Bußgeldakte und der Darstellung ihres VN bekannt, dass der Kl. mit seinem Fahrzeug den Parkplatz mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit befahren hatte, während der Bekl. zu 1) zum linken Rand der Fahrgasse hin orientiert nach links abbiegen wollte.
Mit der Klage hat der Kl. nach Instandsetzung seines Fahrzeugs den rechnerisch noch offenstehenden Restbetrag des von ihm bezifferten Schadensersatzbetrags von 14.973,18 EUR verlangt. Widerklagend hat die Bekl. zu 2) Rückzahlung des von ihr gezahlten Betrags von 5.460,42 EUR verlangt und zur Begründung hierfür angeführt, die Regulierung in Unkenntnis der von dem Kl. eingehaltenen überhöhten Geschwindigkeit vor der Kollision vorgenommen zu haben. Klage und Widerklage wurden abgewiesen.
2 Aus den Gründen:
" … Die hiernach vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge gem. § 17 Abs. 1 und 2 StVG ergibt, dass dem Kl. gegen die Bekl. aus dem Verkehrsunfallereignis vom 20.12.2013 keine Schadensersatzansprüche zustehen."
Zur Widerklage:
Auch wenn der Kl. nach dem Vorhergesagten von den Bekl. keinen Schadensersatz beanspruchen kann, so ist er andererseits nicht verpflichtet, der Bekl. zu 2) auf deren Widerklage hin den aufgrund der von dieser vorprozessual erbrachten Zahlung erhaltenen Betrag i.H.v. 5.460,42 EUR nach § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall BGB herauszugeben.
1. Gem. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall BGB ist derjenige, der durch die Leistung eines anderen auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat, diesem zur Herausgabe verpflichtet. Die Voraussetzungen eines Herausgabeverlangens nach § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall BGB liegen vor. Denn die Bekl. zu 2) hat zur Regulierung der an sie herangetragenen Schadensersatzansprüche des Kl. vorprozessual einen Betrag von 5.460,42 EUR gezahlt. Tatsächlich war die Bekl. zu 2) dem Kl. aber, wie durch die rechtskräftige Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit festgestellt, nicht zur Leistung verpflichtet, weil dem Kl. ein Schadensersatzanspruch aus dem Verkehrsunfall nicht zusteht.
2. Das Herausgabeverlangen der Bekl. zu 2) scheitert aber an § 814 BGB, wonach das zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden kann, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Diese Norm beruht auf dem Gedanken der Unzulässigkeit widersprüchlichen Verhaltens. Sie will den Leistenden benachteiligen, während der Empfänger darauf vertrauen darf, dass er eine Leistung, die bewusst zur Erfüllung einer nicht bestehenden Verbindlichkeit erbracht worden ist, behalten darf.
3. Die zurückzufordernde Leistung muss in Kenntnis der Nichtschuld erbracht worden sein. Erforderlich ist die positive Kenntnis des Leistenden zum Zeitpunkt seiner Leistung, dass er zu dieser Leistung nicht verpflichtet ist. Dabei sind präzise Rechtskenntnisse auf Seiten des Leistenden nicht zu fordern. Es muss eine der Rechtslage entsprechende Parallelwertung in der Laiensphäre genügen.
Dass der Leistende Tatsachen kennt, aus denen sich das Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung ergibt, reicht nicht aus. Er muss vielmehr gerade wissen, dass er nach der Rechtslage nichts schuldet. Somit schließen Rechts- und Tatbestandsirrtümer des Leistenden eine Anwendung des § 814 BGB zwingend aus.
Auch grob fahrlässige Unkenntnis des Nichtbestehens einer Verpflichtung genügt nicht zum Ausschluss des Rückforderungsanspruchs (vgl. Martinek, in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 814 BGB Rn 10 ff.).
4. Der Bekl. zu 2) war bereits im Zeitpunkt der Leistungserbringung aufgrund der Angaben des eigenen VN und der Einsichtnahme in die Bußgeldakten bekannt, dass der Kl. den Parkplatz mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit befahren haben soll, während ihr VN zum linken Rand der Fahrgasse hin orientiert nach links abbie...