1. Das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit des Arbeitnehmers zusammenhängenden unmittelbaren Weges von und zu dem Ort der Tätigkeit begründet das Vorliegen eines Arbeitsunfalls und kann Sozialleistungsansprüche nach dem 7. Buch des SGB begründen (§ 8 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Diese Wegeunfälle lösen aber keine Haftungsprivilegierung zugunsten des Fahrers und Halters aus, der auf dem Weg zur Arbeitsstelle Kollegen mitgenommen und bei einem Verkehrsunfall geschädigt hat (vgl. §§ 104 Abs. 1 S. 1, 105 Abs. 1 SGB VII). Ein nach wie vor die Haftungsprivilegierung auslösender Betriebsweg liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber den gemeinsamen Transport mehrerer Arbeitnehmer organisiert hat (vgl. BGH DAR 2004, 344). Die Erstreckung der Haftungsprivilegierung auf Betriebswege findet ihre Rechtfertigung darin, dass die gemeinsame Fahrt der Arbeitskollegen als Teil des innerbetrieblichen Organisations-und Funktionsbereichs erscheint. Da der Kl. sich auf alleiniger Fahrt zur Arbeitsstelle befand, bestand kein Bedarf, auf Haftungsbefreiungsfragen einzugehen.
2. Für die danach allein zu klärende Frage des Vorliegens eines Arbeitsunfalls trotz der verhängnisvollen Rückkehr zum Hoftor, um dieses zu schließen, musste das Gericht darauf eingehen, ob die Rückkehr zum Hoftor und der dabei erlittene Sturz dazu geführt hatten, dass der auf dieser Teilstrecke erlittene Unfall noch als Arbeitsunfall anzusehen war. Ansatzpunkt für diese Frage ist, ob die Rückkehr des Kl. ein Verlassen des unmittelbaren Weges zur Arbeitsstelle gewesen ist (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII), die Kehrtwendung des Kl. in der Diktion des Sozialrechts einen "Abweg" darstellte (vgl. zu diesem Wortgebrauch BSG 41, 141, 144; Schwerdtfeger, in: Lauterbach, Unfallversicherung (SGB II), 4. Aufl., § 8 Rn 374; ders. ablehnend zum Begriff des Abweges a.a.O., § 8 Rn 502). Die materialreiche Bestimmung der Unmittelbarkeit des gewählten Weges hat zu einer bewundernswerten, vielleicht auch nur wunderlichen Fülle von Entscheidungen und literarischen Stellungnahmen geführt, die das Verlassen des rechten unmittelbaren Weges zur Arbeitsstelle darin gesehen haben, dass der hierbei Verletzte den Schutz der Unfallversicherung nicht verdiene, wenn die Rückkehr oder Abkehr nicht mehr im inneren sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehe, sondern auf privaten eigenwirtschaftlichen Gründen beruhe (vgl. BSG VersR 1970, 123; Schwerdtfeger, a.a.O., § 8 Rn 375). Der "finale Aspekt", der dem Erfordernis des sachlichen Zusammenhangs zugeordnet wird, ergebe sich aus der "Handlungstendenz auf die Zurücklegung des in seiner Zielsetzung objektiv begrenzten Weges" (Schwerdtfeger, a.a.O. § 8 Rn 363). Der vorliegende Fall eignete sich allerdings nicht dazu, eine Subsumtion dieser Erfordernisse vorzunehmen. Vielmehr war die Unterbrechung des Weges nur dann geeignet, auch den Versicherungsschutz zu unterbrechen, wenn sie nicht ganz geringfügig war. Eine Geringfügigkeit der Unterbrechung des direkten Weges ist dann anzunehmen, wenn die private Verrichtung "im Vorbeigehen" und "ganz nebenher" erledigt werde (vgl. BSG 20, 219, 221; BSG 43, 113, 115; Schwerdtfeger, a.a.O., § 8 Rn 485; Schmidt, SGB VII, 4. Aufl., § 8 Rn 23 und 24). Ohne diese begrüßenswerte Begründung hätte das LSG untersuchen müssen, ab welchem Zeitpunkt sich der Kl. im Schutzbereich des Unfallversicherungsrechts befand, was mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes anzunehmen war, in dem der Versicherte wohnte (BSG NJW 2002, 84; zustimmend Schwerdtfeger, a.a.O., § 8 Rn 449; Schmidt, a.a.O., § 8 Rn 183, 187). Die Rückkehr zum Hoftor, um dieses zu verschließen, hätte ohne die Annahme einer unschädlichen geringfügigen Unterbrechung des Weges zur Arbeitsstelle einen Verlust des Schutzes des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII zur Folge gehabt, der allerdings dann wieder aufgelebt wäre, wenn es dem Kl. noch möglich gewesen wäre, zu seinem Pkw zurückzukehren (vgl. Schwerdtfeger, a.a.O., § 8 Rn 468).
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 1/2017, S. 18 - 23