I. Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer

Nach allgemeiner Auffassung ist ein Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer gem. § 14 Abs. 2 RVG nur in dem Rechtsstreit zwischen dem Rechtsanwalt und dem Auftraggeber einzuholen. In anderen Rechtsstreitigkeiten ist diese Vorschrift hingegen nicht anwendbar. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Auftraggeber die von ihm an seinen Rechtsanwalt gezahlte Vergütung von einem Dritten fordert, so BGH DVBl. 1969, 204; OLG Hamm zfs 1992, 93 für den Kaskoversicherer; ferner BVerwG JurBüro 1982, 857 mit Anm. Mümmler sowie RVGreport 2006, 21 (Hansens).

Vorliegend hat das LG Zweibrücken gleichwohl ein Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer des Saarlandes eingeholt. Praktische Bedeutung hat diese Frage für die Kosten eines solchen Gutachtens. Ein nach § 14 Abs. 2 RVG eingeholtes Gutachten hat die Rechtsanwaltskammer nach § 14 Abs. 2 S. 2 RVG kostenlos zu erstatten. Die Erstattung von anderen gerichtlich angeforderten Gutachten gehört zwar nach § 73 Abs. 2 Nr. 8 BRAO ebenfalls zu den Aufgaben des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer. Jedoch ist dieser nicht verpflichtet, solche Gutachten kostenlos zu erstatten. Verschiedene Rechtsanwaltskammern haben hierfür eigene Gebührenordnungen vorgesehen, andere Kammern berechnen auch für solche Gutachten im Interesse ihrer Mitglieder keine Gebühren.

Das Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer stellt ein Rechtsgutachten dar, das das Prozessgericht bei seiner Entscheidung unterstützen soll, ob die Gebührenbestimmung seitens des Rechtsanwalts billigem Ermessen entspricht (BGH NJW 1995, 1425; NJW 2004, 143 = AGS 2004, 145 mit Anm. N. Schneider = AnwBl. 2004, 1043). Das Gutachten unterliegt der freien richterlichen Würdigung, die vom Revisionsgericht nur in beschränktem Umfang überprüft werden kann, so BGH Urt. v. 25.9.2008 – IX ZR 133/07, RVGreport 2008, Heft 12. Vorliegend ist das LG von der Auffassung der Kammer in ihrem Gutachten unter Hinweis auf die Toleranzgrenze von 20 % abgewichen. Diese wäre allerdings nur dann einschlägig gewesen, wenn nach Auffassung des Gerichts nur eine 2,1 Geschäftsgebühr angemessen gewesen wäre. Dann hätte das Gericht die von dem Rechtsanwalt bestimmte 2,5 Geschäftsgebühr gleichwohl nicht herabsetzen dürfen, weil diese noch innerhalb der Toleranzgrenze liegt (2,1 Gebühr + 0,42 Gebühr = 2,52 Gebühr).

II. Geschäftsgebühr für die Regulierung eines Verkehrsunfalls

Seit der Entscheidung des BGH zfs 2007, 102 mit Anm. Hansens = NJW-RR 2007, 420 = AGS 2007, 28 = JurBüro 2007, 78 = RVGreport 2007, 21 (Hansens) ist – auch von vielen, wenngleich nicht von allen Kfz-Haftpflichtversicherungen – allgemein anerkannt, dass für die Regulierung eines durchschnittlichen Verkehrsunfalls eine 1,3 Geschäftsgebühr billigem Ermessen entspricht. Dies betrifft insbesondere Fälle mit Sachschäden, deren Regulierung sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht keine besonderen Schwierigkeiten aufwirft und keinen besonderen Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts erfordert.

Die Berechnung einer teilweise wesentlich höheren Geschäftsgebühr ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn bei dem Verkehrsunfall Personen erheblich zu Schaden gekommen sind oder – wie hier – sogar zu Tode gekommen sind. Dies erfordert einen erheblich größeren Arbeits- und Zeitaufwand des mit der Verkehrsunfallschadensregulierung befassten Rechtsanwalts. Auch ist die Angelegenheit sowohl rechtlich als auch in tatsächlicher Hinsicht erheblich schwieriger als im Durchschnittsfall. Im Regelfall sind dann auch die übrigen gem. § 14 Abs. 1 RVG bei der Gebührenbestimmung zu berücksichtigenden Umstände weit überdurchschnittlich. Dies betrifft auch die Bedeutung der Angelegenheit. Ferner unterliegt der Rechtsanwalt bei der Regulierung von Verkehrsunfällen mit schwerwiegenden Personenschäden einem besonderen Haftungsrisiko, das bei der Gebührenbemessung nach § 14 Abs. 1 S. 2 RVG ebenfalls berücksichtigt werden kann.

Bei Berücksichtigung all dieser Umstände kann der Entscheidung des LG Zweibrücken nur zugestimmt werden. Wann sonst, wenn nicht in einem solchen Fall, soll die Berechnung einer 2,5 Geschäftsgebühr billig sein!

III. Neuere Rspr. zur Höhe der Geschäftsgebühr

Mit der Höhe der Geschäftsgebühr bei der Regulierung von Verkehrsunfallschäden haben sich in letzter Zeit folgende Gerichte befasst:

  • LG Saarbrücken, Urt. v. 12.8.2008 – 4 O 121/08: 1,3 Geschäftsgebühr bei Ansprüchen auf Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 EUR, auf dauerhaft monatlichen Haushaltsführungsschaden in Höhe von 500 EUR und auf dauerhaften monatlichen Verdienstausfall in Höhe von 1.000 EUR. Der Kläger hatte hier eine 2,0 Geschäftsgebühr verlangt, die wohl eher als die zugebilligte 1,3 Geschäftsgebühr angemessen gewesen wäre.
  • AG Mannheim, Urt. v. 27.8.2008 – 14 C 138/08: 2,5 Geschäftsgebühr bei stärkstem Personenschaden, bei Komplikationen bei der Heilung mit Dauerschaden, bei überlanger Bearbeitungszeit über knapp 12 Monate, Gesamtbearbeitungszeit von 24 Stunden, streitiger Haft...

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