VV RVG Nr. 2300; RVG § 14 Abs. 2
Leitsatz
Die Berechnung einer 2,5 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG für die Regulierung eines Verkehrsunfalls, bei dem drei Familienmitglieder des Auftraggebers zu Tode gekommen sind und bei dem Schmerzensgeld-, Haushaltsführungs- und Unterhaltsansprüche zu ermitteln und geltend zu machen waren, ist nicht unbillig.
(Leitsatz des Bearbeiters)
LG Zweibrücken, Urt. v. 11.4.2008 – 1 O 64/07
Sachverhalt
Für die Regulierung der Schäden, die er bei einem Verkehrsunfall auf der Bundesautobahn 6 erlitten hatte, machten die anwaltlich vertretenen Kläger gegen den beklagten Verein eine 2,5 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG geltend. Bei dem Verkehrsunfall waren drei Familienmitglieder zu Tode gekommen. Die vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit erstreckte sich auf die Ermittlung und Geltendmachung von Schmerzensgeld-, Haushaltsführungs- und Unterhaltsansprüchen. Gegenstand des Auftrags waren auch die Ansprüche der Hinterbliebenen mit sämtlichen auf die Zukunft gerichteten Folgen. Das LG hat ein Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer des Saarlandes eingeholt, der eine 2,1 Geschäftsgebühr als angemessen angesehen hat. Der beklagte Verein hat lediglich die 1,3 Regelgebühr anerkannt. Das LG hat darüber hinaus die geltend gemachte 2,5 Geschäftsgebühr zuerkannt.
Aus den Gründen
“… Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat zu Recht gem. § 2400 VV RVG die Höchstgebühr von 2,5 in Ansatz gebracht. Entgegen der Auffassung des beklagten Vereins ist hier nicht lediglich die Regelgebühr anzusetzen. Nur bei durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad und durchschnittlichem Aufwand für den bearbeitenden Rechtsanwalt ist hinsichtlich der Geschäftsgebühr die Regelgebühr von 1,3 anzusetzen. Wenn aber die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war, kann der Rechtsanwalt eine höhere Gebühr fordern.
Das Gericht kommt hier mit dem Gutachten der Anwaltskammer des Saarlandes vom 7.12.2007 zu dem Ergebnis, dass die von den Prozessbevollmächtigten der Kläger vorgenommene Gebührenbestimmung nach den §§ 13, 14 RVG Nr. 2400 VV RVG in Höhe von 2,5 nicht als unbillig angesehen werden kann. Denn nach dem Gutachten war die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit als überdurchschnittlich zu qualifizieren, da hier anders als bei einem durchschnittlichen Verkehrsunfall Schmerzensgeld-, Haushaltsführungs- und Unterhaltsansprüche zu ermitteln und geltend zu machen waren. Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall bei dem Verkehrsunfall nicht nur Personen verletzt wurden, sondern drei Familienmitglieder zu Tode gekommen sind und die Ansprüche der Hinterbliebenen mit sämtlichen auch nachvollziehbaren psychischen und auf die Zukunft gerichteten Folgen Gegenstand des Auftrages waren. Auch insoweit war hier von einem hohen Schwierigkeitsgrad auszugehen. Die Angelegenheit war auch für die Mandanten von hoher Bedeutung. Vor diesem Hintergrund waren nach Auffassung der Anwaltskammer die Angelegenheiten jedenfalls mit einer 2,1 Geschäftsgebühr zu bemessen. Allerdings ist hier weiter zu berücksichtigen, dass bei der Bemessung der angemessenen Gebühr dem Anwalt auch ein Toleranzrahmen zugebilligt werden muss. Insgesamt scheint hier die Geltendmachung der Höchstgebühr unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der überdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse des Klägers nicht als unbillig i.S.v. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG.“
3 Anmerkung
I. Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer
Nach allgemeiner Auffassung ist ein Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer gem. § 14 Abs. 2 RVG nur in dem Rechtsstreit zwischen dem Rechtsanwalt und dem Auftraggeber einzuholen. In anderen Rechtsstreitigkeiten ist diese Vorschrift hingegen nicht anwendbar. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Auftraggeber die von ihm an seinen Rechtsanwalt gezahlte Vergütung von einem Dritten fordert, so BGH DVBl. 1969, 204; OLG Hamm zfs 1992, 93 für den Kaskoversicherer; ferner BVerwG JurBüro 1982, 857 mit Anm. Mümmler sowie RVGreport 2006, 21 (Hansens).
Vorliegend hat das LG Zweibrücken gleichwohl ein Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer des Saarlandes eingeholt. Praktische Bedeutung hat diese Frage für die Kosten eines solchen Gutachtens. Ein nach § 14 Abs. 2 RVG eingeholtes Gutachten hat die Rechtsanwaltskammer nach § 14 Abs. 2 S. 2 RVG kostenlos zu erstatten. Die Erstattung von anderen gerichtlich angeforderten Gutachten gehört zwar nach § 73 Abs. 2 Nr. 8 BRAO ebenfalls zu den Aufgaben des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer. Jedoch ist dieser nicht verpflichtet, solche Gutachten kostenlos zu erstatten. Verschiedene Rechtsanwaltskammern haben hierfür eigene Gebührenordnungen vorgesehen, andere Kammern berechnen auch für solche Gutachten im Interesse ihrer Mitglieder keine Gebühren.
Das Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer stellt ein Rechtsgutachten dar, das das Prozessgericht bei seiner Entscheidung unterstützen soll, ob die Gebührenbestimmung seitens des Rechtsanwalts billigem Erme...