VVG § 12 Abs. 2 (a.F.)
Leitsatz
Die Hemmung der Verjährung entfällt, wenn der Versicherungsnehmer nach einem unvollständig ausgefüllten Unfallbericht nahezu 6 Jahre wartet, bis er sich wieder an seinen Versicherer wendet.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.7.2008 – 5 U 157/08
Sachverhalt
Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Invaliditätsleistung im Rahmen eines Unfallversicherungsvertrags. Der Kläger erlitt am 18.6.2001 einen Unfall. Er sprang von der Ladefläche seines Kleinlastwagens und landete dabei so auf einem für ihn vorher nicht erkennbaren Gegenstand, dass er mit dem rechten Knie nach außen wegknickte. Dabei erlitt er eine inkomplette vordere Kreuzbandruptur des rechten Kniegelenks.
Der Unfallbericht samt dem ärztlichen Erstbericht ging bei der Beklagten am 29.8.2001 ein. Der Bericht wurde dem Kläger mit Schreiben vom 30.8.2001 zur Beantwortung von offenen Fragen zurückgesandt. Mit einem Eingangsstempel vom 9.5.2007 versehen erhielt die Beklagte den vom Kläger vollständig ausgefüllten Unfallbericht über ihren in K geschäftsansässigen Außendienstmitarbeiter zurück. Ob der Kläger den Unfallbericht unmittelbar, nachdem er am 30.8.2001 an ihn gesandt worden war, ausfüllte und an die Beklagte zurücksandte, ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger hat behauptet, dass er die Unfallanzeige unmittelbar, nachdem sei an ihn zurückgesandt worden sei, ausgefüllt und an die Beklagte gesandt habe.
Aus den Gründen
“ … Ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Invaliditätsleistung in Höhe von 5.716,85 EUR gem. § 1 Abs. 1 S. 2 VVG i.V.m. Nr. 2.1. AUB 2000 hat, kann dahinstehen. …
1. Gem. § 12 Abs. 1 S. 1 u. 2 VVG a.F. beträgt die Verjährungsfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem die Leistung verlangt werden kann. Nach dem – insoweit unwidersprochenen – Vortrag des Klägers lag bereits im Jahr 2001 kurz nach dem Unfall Invalidität vor. Gem. Nr. 9.1 AUB 2000 wäre daher binnen drei Monaten nach Eingang des Unfallberichts und des ärztlichen – auch den Abschluss des Heilverfahrens belegenden – Berichts Fälligkeit des Anspruchs binnen drei Monaten, also noch im Jahr 2001 eingetreten. Daher begann die Verjährungsfrist mit Ablauf des 31.12.2001, sodass mit Ablauf des 31.12.2003 Verjährung eingetreten ist.
2. Dem Verjährungseintritt steht auch nicht die Hemmung der Verjährung gem. § 12 Abs. 2 VVG entgegen. Nach dieser Vorschrift wird die Verjährung bis zum Eingang einer schriftlichen Entscheidung des Versicherers gehemmt, wenn der Versicherungsnehmer beim Versicherer einen Anspruch angemeldet hat. Die Anmeldung i.S.d. § 12 Abs. 2 VVG setzt dabei voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennen lässt, dass er im Hinblick auf einen konkreten Schaden Versicherungsschutz verlangt (vgl. VersRHdb/Schlegelmilch, § 21 Rn 105). In diesem Zusammenhang kann es dahinstehen, ob hierfür die bloße Übersendung des Unfallberichts unter Beifügung eines ärztlichen Erstberichts nicht ausreichend ist.
a) Sofern man dies für eine Anmeldung nicht als ausreichend ansieht, ist erst gar keine Hemmung gem. § 12 Abs. 2 VVG eingetreten und die Verjährungsfrist ist ganz normal abgelaufen.
b) Sieht man dagegen in der Übersendung des Unfallberichts und des ärztlichen Erstberichts vom 22.8.2001 eine Anmeldung des Invaliditätsanspruchs, so ist mit deren Zugang bei der Beklagten am 29.8.2001 zunächst Hemmung eingetreten.
aa) Jedoch fällt die Hemmung der Verjährung gem. § 242 BGB auch ohne schriftliche Entscheidung des Versicherers weg, wenn dieser davon ausgehen durfte, der Versicherungsnehmer verfolge die von ihm zunächst angemeldeten Ansprüche nicht mehr weiter und daher die Erteilung eines schriftlichen Bescheids durch den Versicherer keinen vernünftigen Sinn mehr hätte und nur eine reine Förmelei wäre, weil der Geschädigte auf einen endgültigen Bescheid überhaupt nicht mehr wartet (vgl. BGH VersR 1977, 335 (336); OLG Hamm VersR 1991, 1397).
bb) Diese Voraussetzungen sind gegeben. Nachdem die Beklagte dem Kläger unter dem 30.8.2001 das ausweislich der zur Akte gereichten Unterlagen unvollständig ausgefüllt Unfallberichtsformular zur Ergänzung zurückgeschickt hatte, hat sie erst wieder am 11.5.2007 von dem Kläger in dieser Sache gehört, da ihr unstreitig erst an diesem Tag das vollständig ausgefüllte Formular über einen in Karlsruhe ansässigen Außendienstmitarbeiter, der es am 9.5.2007 erhalten hatte, erneut zugegangen ist. Es waren also nahezu 6 Jahre vergangen. Der Kläger hat insoweit lediglich behauptet, er habe das Formular sofort nach der Rücksendung unter dem 30.8.2001 ausgefüllt und der Beklagten erneut zugeschickt. Jedoch hat er diese Behauptung in keiner Weise substantiiert. Er hat auch nicht plausibel gemacht, warum das Formular nicht unmittelbar an die Beklagte, sondern an einen Außendienstmitarbeiter übersandt wurde und warum es fast 6 Jahre dauerte, bis es die Beklagte tatsächlich erhielt. Der Senat ist daher in vollem Umfang davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass der Kläger das Formular nicht sofort zurückgesandt hat, sondern entweder das Interess...