Das EuGH-Urteil wird in der Politik bereits als das "Ende des Führerscheintourismus" gefeiert. Diese Einordnung erscheint bei genauer Analyse verfrüht, da das Urteil leider nur einen Teil der offenen Fragen beantwortet. Insgesamt ist die Entscheidung des Gerichtshofs zu begrüßen, da Fallkonstellationen "geschlossen" werden und ein Lösungsansatz mit dem Wohnsitzerfordernis europakonform vorgegeben wird. Dadurch entsteht mehr Rechtssicherheit bei der Beurteilung bestimmter Sachverhalte im Rahmen von Gerichts- oder Verwaltungsverfahren. Allerdings können Deutsche weiterhin in Tschechien ihre Führerscheinprüfung ablegen, wenn sie dort auch ihren Wohnsitz haben. Inwieweit diese Möglichkeit den Führerscheintourismus fördert, bleibt abzuwarten.
Entgegen den Erwartungen enthält das Grundsatzurteil keine Aussagen zur missbräuchlichen Berufung auf die gemeinschaftsrechtliche Anerkennungsverpflichtung von Personen, die unter bewusster Umgehung der deutschen Eignungsvorschriften im EU-Ausland eine Fahrerlaubnis erwerben. In seinen Schlussanträgen hat der Generalanwalt die Auffassung vertreten, dass die gegenseitige Anerkennung von EU-Führerscheinen dort ihre Grenze findet, wo die gesundheitliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs nicht nachgewiesen ist und damit die Sicherheit der Teilnehmer am Straßenverkehr gefährdet wird. Er schlug dem Gerichtshof vor, festzustellen, dass ein Mitgliedstaat nach Art. 1 Abs. 2 und Art. 8 Abs. und 4 der Zweiten Führerscheinrichtlinie befugt ist, die Anerkennung der Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins zu verweigern, wenn für einen Kandidaten im Ausstellungsstaat keine vergleichbare MPU durchgeführt wurde. Daneben sollten die Mitgliedstaaten auf dieser Grundlage vorläufige Maßnahmen, wie die Aussetzung der Fahrerlaubnis während der Zeit, in der der Ausstellungsstaat die Voraussetzungen für die Erteilung dieser Fahrerlaubnis prüft, ergreifen können. Der EuGH ist diesem Ansatz in seiner Entscheidung nicht gefolgt, womit der Gerichtshof eine weitere Möglichkeit hat verstreichen lassen, die Ausnahmen vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen entscheidend weiter zu konkretisieren. Erste Stimmen in der Literatur gehen in ihrer kritischen Beurteilung der Entscheidung noch weiter und werfen dem Gericht mangelnde Differenziertheit vor. Dauer ist dahingehend beizupflichten, dass es weiterhin an einer klaren Differenzierung zwischen Personen fehlt, die in Ausübung ihrer Grundfreiheiten in einem anderen Mitgliedstaat eine Fahrerlaubnis erwerben und denen, die im EU-Ausland unter bewusster Umgehung der heimatlichen Eignungsvorschriften einen Führerschein erwerben, ohne von ihren Grundfreiheiten tatsächlich Gebrauch zu machen.