StVO §§ 41 Abs. 2 Nr. 6 S. 5 und 6; 45 Abs. 1; 45 Abs. 4, 45 Abs. 9 S. 3; 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 11; 46 Abs. 2 S. 1 BayVwVfG Art. 41 Abs. 3; 16. BImSchV § 1 Abs. 2
Leitsatz
1. Ausnahmen von einem durch Verkehrszeichen angeordneten Durchfahrverbot können nicht durch eine nur schriftlich ergangene und bekannt gemachte Allgemeinverfügung zugelassen werden.
2. Den Anforderungen an die sofortige Erkennbarkeit des Regelungsgehalts von Verkehrszeichen (Sichtbarkeitsgrundsatz) genügt jedenfalls eine Schilderkombination nicht mehr, die aus einem Verbotszeichen und vier Zusatzzeichen besteht.
3. Orientierungspunkte dafür, wann die Beeinträchtigungen durch Mautausweichverkehr die Erheblichkeitsschwelle des § 45 Abs. 9 S. 3 StVO erreichen, können u.a. der Verkehrslärmschutzverordnung 16. BImSchV entnommen werden.
4. Erhebliche Auswirkungen liegen danach u.a. dann vor, wenn der Beurteilungspegel durch den Mautausweichverkehr um mindestens 3 dB (A) oder auf mindestens 70 dB (A) am Tage oder 60 dB (A) in der Nacht erhöht oder ein schon in dieser Höhe bestehender Beurteilungspegel weiter erhöht wird.
BVerwG, Urt. v. 13.3.2008 – BVerwG 3 C 18.07
Sachverhalt
Die klagenden Speditions- und Logistikunternehmen, die zumeist im Großraum Augsburg ansässig sind, wenden sich gegen verkehrsrechtliche Verfügungen, mit denen die Beklagten zur Unterbindung von Mautausweichverkehr die nächtliche Durchfahrt mit schweren Nutzfahrzeugen auf der B 25 verboten hatten.
Mit Allgemeinverfügung vom 19.7.2006 und verkehrsrechtlichen Anordnungen vom 21.6.2006, 30.6.2006 sowie 24.7.2006 verhängte das Landratsamt Ansbach versuchsweise für die Dauer eines halben Jahres, beginnend mit der Aufstellung der Verkehrszeichen am 8.8.2006, im Verlauf der B 25 in Fahrtrichtung Süd ab der Einmündung der St 1066 aus Richtung Sommerau bei Feuchtwangen und an der südlichen Landkreisgrenze in Fahrtrichtung Nord ab der Einmündung der St 1076 ein Verbot für den Durchgangsverkehr mit schweren Nutzfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 12 Tonnen. Das auf die Zeit von 22:00 – 06:00 Uhr beschränkte Verbot wurde mit dem Verkehrszeichen 253 und den beiden Zusatzzeichen "Durchgangsverkehr" und "12 t" sowie einem weiteren Zusatzzeichen mit der Angabe der tageszeitlichen Geltung der Sperrung umgesetzt; in Fahrtrichtung Süd wurde außerdem ein Zusatzzeichen mit der Angabe "B 25 Zufahrt Landkreise Ansbach und Donau-Ries frei" und in Fahrtrichtung Nord ein Zusatzzeichen mit der Angabe "B 25 Zufahrt Landkreis Ansbach frei" angebracht. Auf die Durchfahrverbote wurde vorab durch Hinweisschilder mit den genannten Verkehrszeichen sowie weiteren Zusatzzeichen aufmerksam gemacht. Eine nur schriftlich erlassene und in verschiedenen Mitteilungsblättern und Zeitungen bekannt gemachte Allgemeinverfügung vom 19.7.2006 sah außerdem vor, dass Fahrten zum Be- und Entladen bei Unternehmen in einem Korridor von ca. 30 km Luftlinie westlich und östlich der B 2 zwischen der Landkreisgrenze Donau-Ries (nördliche Grenze) und der Autobahn A 8 West (südliche Grenze) von dem Verbot ausgenommen seien.
Die Beklagte zu 2 ordnete mit Allgemeinverfügung und verkehrsrechtlicher Anordnung vom 20.7.2006 ein entsprechendes Durchfahrverbot nebst Ausnahmeregelungen auf der B 25 nach der Einmündung der St 2218 in Fahrtrichtung Nördlingen sowie für die Zufahrt zur B 25 am Südring und an der St 2220 an.
Den Antrag der Klägerinnen auf einstweiligen Rechtsschutz hat das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach mit Beschl. v. 18.8.2006 abgelehnt. Auf die Beschwerde der Klägerinnen hat der BayVGH die erstinstanzliche Entscheidung mit Beschl. v. 7.12.2006 geändert und die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet, da die angegriffenen Verfügungen voraussichtlich rechtswidrig seien.
Der Klage, die die Klägerinnen wegen des Ablaufs der Geltungsdauer der Durchfahrverbote vom ursprünglichen Anfechtungs- auf einen Feststellungsantrag umgestellt haben, hat das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach mit Urt. v. 25.5.2007 stattgegeben.
Aus den Gründen
“ … II.
9 Die [Sprung-] Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Das VG hat die angefochtenen verkehrsrechtlichen Verfügungen mit Recht aufgehoben. Die Durchfahrverbote waren, soweit sie durch Verkehrszeichen umgesetzt wurden, rechtswidrig, weil sie nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht wurden (1.). Auch die mit der Korridorregelung bezweckten Ausnahmen wurden nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht; zudem war die Korridorregelung zu unbestimmt (2.). Danach kann es der Revision nicht mehr zum Erfolg verhelfen, dass das VG das Vorliegen der Voraussetzungen für verkehrsbeschränkende Maßnahmen nach § 45 Abs. 9 S. 3 StVO zu Unrecht verneint hat (3.).
10 1. Soweit die angegriffenen Durchfahrverbote durch Verkehrszeichen umgesetzt wurden, waren sie rechtswidrig, weil sie nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden sind. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts genügte die Bekanntgabe nicht den Anforderungen an die Erkennbarkeit der Regelung, die nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz für Verkehrszeichen gelten. Das ergibt sich sch...