RVG § 17 Nr. 10; VV RVG Nr. 4141
Leitsatz
Wird nach Einstellung des Strafverfahrens das Verfahren zur Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit an die Verwaltungsbehörde abgegeben, fällt dem Verteidiger für die Mitwirkung an der Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens eine zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 VV RVG an.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Osnabrück, Beschl. v. 3.7.2008 – 9 S 187/07
Sachverhalt
Der Verteidiger des Klägers hatte diesen in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vertreten, das auf Grund der Mitwirkung des Verteidigers von der Staatsanwaltschaft eingestellt und nach Abgabe an die Verwaltungsbehörde als Bußgeldverfahren weitergeführt wurde. Auf Antrag des Klägers hat das AG Papenburg die beklagte Rechtsschutzversicherung verurteilt, den Kläger von seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Verteidiger hinsichtlich der zusätzlichen Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG freizustellen. Die hiergegen eingelegte Berufung hat die Beklagte auf Grund des Hinweisbeschlusses des LG Osnabrück wieder zurückgenommen.
Aus den Gründen
“ … Das AG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, den Kläger von der Verbindlichkeit aus der Angelegenheit zum Aktenzeichen 06/0438 seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 163,47 EUR freizustellen. Insofern wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen. Dieses enthält sweder eine Rechtsverletzung zum Nachteil der Beklagten noch sind nach § 529 ZPO Tatsachen zugrunde zu legen, die eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Auch das Berufungsgericht geht unter Hinweis auf § 17 Nr. 10 RVG davon aus, dass es sich bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und einem nach dessen Einstellung sich anschließendem Bußgeldverfahren um verschiedene Angelegenheiten handelt. Aus diesem Grund hat der Verteidiger nach einer Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und einer Abgabe an die Ordnungswidrigkeitenbehörde gem. § 43 OWiG einen Anspruch auf die Gebühr gem. Nr. 4141 VV RVG. Die dagegen von der Beklagten vorgebrachten Bedenken überzeugen die Kammer nicht. Sie beruhen größtenteils auf der alten Rechtslage nach der BRAGO und sind auf die heutige Rechtslage nicht zu übertragen. Der Gesetzgeber hat vielmehr in der Gesetzesbegründung zu § 17 Nr. 10 RVG (BT-Drucks 15/1971, 192) ausgeführt:
“Mit Nr. 10 soll klargestellt werden, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und ein nach dessen Einstellung sich anschließendes Bußgeldverfahren verschiedene Angelegenheiten bilden. Dies entspricht der Auffassung eines Teils der Literatur schon nach geltender Rechtslage ( … ). In der Rspr. wird die Frage unterschiedlich beantwortet, in diesen Fällen soll jedoch im Bußgeldverfahren die Grundgebühr nicht mehr besonders entstehen ( … ).’
Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber sich der Streitigkeit nach den Regeln der BRAGO bewusst war und im Hinblick auf diese Auseinandersetzung in Rspr. und Literatur den § 17 Nr. 10 RVG geschaffen hat. Dieser kann nicht anders verstanden werden, als dass der Gesetzgeber die Streitigkeit durch die eindeutige Regelung, dass strafrechtliches Ermittlungsverfahren und sich anschließendes Bußgeldverfahren verschiedene Angelegenheiten i.S.d. RVG darstellen, entschieden hat.
Die von der Beklagten vorgelegte Entscheidung des AG München vom 7.7.2006 (Aktenzeichen 155 C 11172/06) überzeugt die Kammer nicht. Diese Entscheidung setzt sich mit § 17 Nr. 10 RVG überhaupt nicht auseinander. Dementsprechend ist die Entscheidung in einer Anmerkung als nicht zutreffend gewürdigt worden. Dagegen wird die vom AG und vom Berufungsgericht getroffene Entscheidung durch ein Urt. des AG Regensburg (StraFo 2006, 88) und durch Stimmen in der Literatur gestützt (vgl. u.a. Madert, AGS 2006 105; Burhoff, RVGReport 2007, 161 (162)).
Im Hinblick auf die eindeutige Gesetzeslage ist das Berufungsgericht auch nicht daran gehindert, durch einen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zu entscheiden. Eine mündliche Verhandlung und sodann ein Urteil, in dem gegebenenfalls die Revision zugelassen wird, sind nicht erforderlich. Denn die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechtes oder zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. ist nicht erforderlich. … “
Eingesandt von Rechtsanwälten Dr. Schulte und Gerken, Papenburg