– Zugleich Anmerkung zu OLG Karlsruhe, Urt. v. 12.5.2009 – 4 U 173/07 –
I. Einleitung
Mehrfach hatte sich der BGH in letzter Zeit mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen ein Geschädigter Anspruch auf Erstattung fiktiver Reparaturkosten hat, obwohl bei einer Schadensbezifferung von einem wirtschaftlichen Totalschaden auszugehen ist, also vom Grundsatz her eine Abrechnung nach dem Wiederbeschaffungsaufwand durchzuführen wäre. Im Zuge dreier BGH-Grundsatzurteile ist eine Entscheidung des OLG Karlsruhe ergangen, die im Folgenden kritisch hinterfragt werden soll.
II. Die Rechtsprechung des BGH
Die Karosseriebaumeister-Entscheidung
Nach der Entscheidung des BGH vom 29. April 2003 hat ein Unfallgeschädigter für den Fall, dass ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt und die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, Anspruch auf Ersatz der vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts ohne Abzug des Restwerts, wenn er sein Fahrzeug tatsächlich reparieren lässt und weiterbenutzt, ohne dass es auf Qualität und Umfang der Reparatur ankommt. Der BGH hat mit dieser Entscheidung demjenigen Geschädigten, der sein Fahrzeug in einen fahrtechnisch korrekten und verkehrssicheren Zustand versetzt, trotz wirtschaftlichen Totalschadens den Reparaturbetrag zuerkannt, den der Sachverständige als für die ordnungsgemäße Instandsetzung notwendig erachtet.
Diese Entscheidung hat ihren Hintergrund darin, dass oftmals für einen Geschädigten die Möglichkeit der (billigeren) Eigenreparatur besteht, daher die "Karosseriebaumeister"-Entscheidung, wenn beispielsweise der Geschädigte selbst Fachmann ist oder im Bekanntenkreis reparieren lässt.
Die Entscheidung des BGH vom 5. Dezember 2006
In dieser Entscheidung hat der BGH bestätigt, dass bei Durchführung der Reparatur – in diesem Fall durch eine Fachwerkstatt mit Rechnung – die Reparaturkosten zu ersetzen sind, auch wenn ein wirtschaftlicher Totalschaden gegeben ist.
Bemerkenswert an dieser Entscheidung war nicht, dass ein Geschädigter die Reparaturkosten, die er aufgewendet hat, ersetzt bekommt. Das Besondere an dieser Entscheidung war, dass der Geschädigte sein Fahrzeug kurz nach Durchführung der Reparatur an den Reparaturbetrieb verkauft, respektive in Zahlung gegeben hat für den Erwerb eines Neufahrzeugs. Der Geschädigte hatte damit nachträglich das getan, was im beschädigten Zustand seines Kfz zunächst das wirtschaftlich Sinnvollste gewesen wäre, nämlich Veräußerung wegen des Eintritts eines Totalschadens. Der BGH hat dem Geschädigten dennoch den Ersatz der Reparaturkosten zugebilligt, nachdem das Vermögen des Geschädigten tatsächlich um diesen Betrag vor Veräußerung des Fahrzeugs gemindert war.
Die Entscheidung des BGH vom 23. Mai 2006
In dieser Entscheidung hat der BGH einem Geschädigten die Möglichkeit eröffnet, dass er zum Ausgleich des durch einen Unfall verursachten Fahrzeugschadens, der den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigt, die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts ohne Abzug des Restwerts verlangen kann, wenn er das Fahrzeug unrepariert mindestens sechs Monate nach dem Unfall weiternutzt. Die nach der Rechtsprechung des BGH in dieser Entscheidung gewährte Abrechnungsart ist von folgenden Voraussetzungen abhängig:
- Der Pkw befindet sich – wie der BGH sich in seiner Terminologie ausdrückt – in einem verkehrstauglichen Zustand.
- Der Pkw ist in einem funktionsfähigen Zustand.
- Der Geschädigte beweist ein nachhaltiges Interesse an dessen Weiternutzung.
Die Durchführung einer Reparatur macht der BGH nicht zur Voraussetzung. Der BGH stellt für den Anspruch auf Ersatz der fiktiven Reparaturkosten ohne Berücksichtigung des Restwerts ausschließlich darauf ab, dass der Geschädigte sein Fahrzeug weiter nutzt, sei es auch im beschädigten, aber noch verkehrstauglichen Zustand. Der Geschädigte kann (nach dem subjektiven Schadenbegriff) seinen Pkw unrepariert weiter nutzen und den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag anderweitig verwenden. Im Fall der Weiternutzung stellt dann der Restwert, wenn und solange der Geschädigte ihn nicht realisiert, lediglich einen hypothetischen Rechnungsposten dar, der sich in der Schadenbilanz nicht niederschlagen darf. Der Wille des Geschädigten zur Reparatur kann demgemäß ebenfalls nicht zur Voraussetzung für den Anspruch auf Zahlung des zur Instandsetzung erforderlichen Geldbetrages erhoben werden. Für den Ersatz der Nettoreparaturkosten macht der BGH (lediglich) zur Voraussetzung, dass die Weiternutzung des Fahrzeugs im Regelfall mindestens über einen Zeitraum von sechs Monaten erfolgt, um ein nachhaltiges Interesse (Integritätsinteresse) an (gerade) diesem Fahrzeug zum Ausdruck zu bringen.
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 12. Mai 2009
Das OLG Karlsruhe hat in seiner Entscheidung vom 12. Mai 2009 – wohl – aus der Formulierung des BGH, dass sich das Fahrzeug des Geschädigten in einem verkehrstauglichen Zustand befinden muss, geschlossen, dass der Geschädigte die Reparaturkosten auf Gutachtenbasis auch ...