VVG § 22 § 23 § 81 § 93
Leitsatz
1. Es liegt keine zur Leistungsfreiheit führende Gefahrerhöhung in der Wohngebäudeversicherung (hier: Brand) vor, wenn die bisherigen Mieter eines Wohnhauses sich in U-Haft befinden, der Vermieter als Versicherungsnehmer sowie von den Mietern beauftragte Personen aber weiterhin durch ihnen zur Verfügung stehende Schlüssel das Haus kontrollieren, die Miete weiter gezahlt wird und noch vor dem Brand durch den Versicherungsnehmer das zuvor aufgebrochene Schloss einer Seiteneingangstür ersetzt wird und wieder funktionstüchtig schließt.
2. Zur Anfechtung des Vertrages durch den Versicherer bei Angabe des Versicherungsnehmers im Antrag, dass die Vorversicherung durch den Versicherungsnehmer gekündigt wurde.
3. Zu den Indizien einer Eigenbrandstiftung nach § 61 VVG a.F.
4. Für die Neuwertentschädigung fehlt es an der Sicherstellung der Wiederherstellung, wenn der Versicherungsnehmer mit dem Bau nicht begonnen und auch keinen Bauvertrag abgeschlossen hat, sondern nur ein Angebot vorliegt und eine Abwicklung über ein Treuhandkonto erfolgen soll.
OLG Celle, Urt. v. 24.9.2009 – 8 U 99/09
Sachverhalt
Der Kläger beansprucht eine Neuwertentschädigung nach einem durch Brandbeschleuniger verursachten Brandschaden vom 12.7.2007 in dem Gebäude H-Straße in E. Das Gebäude war zunächst bei der P-V versichert; in dem bei der Beklagen gestellten und von ihr angenommenen Versicherungsantrag war angegeben, die Klägerin habe das Vorversicherungsverhältnis gekündigt. Die Mieter des Anwesens kamen im Oktober 2006 in Untersuchungshaft.
Aus den Gründen
Aus den Gründen:„ … 1. Eine Eintrittspflicht der Beklagten ist zunächst dem Grunde nach gegeben. …
a) Die Beklagte stützt ihre Leistungsfreiheit im Berufungsverfahren in erster Linie auf den Gesichtspunkt der Gefahrerhöhung. Insoweit liegt jedoch bereits schon keine Gefahrerhöhung vor (zu aa), sodass es auf die Frage der Kenntnis der Klägerin von den die Gefahrerhöhung begründenden Umständen bzw. der Repräsentantenstellung ihres Sohnes (zu bb) nicht entscheidend ankommt.
Zur Frage der Gefahrerhöhung bei Leerstehen eines Gebäudes
aa) Nach §§ 23, 28 VVG a.F. i.V.m. Ziff. 17.1 und 17.2 W GVB darf der Versicherungsnehmer nach Abschluss des Vertrages ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrerhöhung vornehmen oder deren Vornahme durch einen Dritten gestatten. Erlangt er Kenntnis davon, dass durch eine von ihm ohne Einwilligung des Versicherers vorgenommene oder gestattete Änderung die Gefahr erhöht ist, so hat er dem Versicherer unverzüglich Anzeige zu machen. Tritt nach Vertragsschluss unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers eine Gefahrerhöhung ein, so hat er, sobald er hiervon Kenntnis erlangt, dem Versicherer unverzüglich Anzeige zu machen. Verletzt der Versicherungsnehmer seine Verpflichtungen, so ist der Versicherer nach Maßgabe der §§ 25, 28 VV a.F. i.V.m. Ziff. 17.5 W GVB von der Verpflichtung zur Leistung frei.
(1) Eine Gefahrerhöhung liegt vor, wenn nach Vertragsschluss eine auf gewisse Dauer angelegte Änderung der gefahrerheblichen Umstände eingetreten ist, die die Grundlage eines neuen natürlichen Geschehensablaufs sein kann und damit den Eintritt des Versicherungsfalles zu fördern geeignet ist … Maßgebend ist mithin, ob nachträglich eine Gefahrenlage eingetreten ist, die eine nachhaltige Erhöhung der Möglichkeit der Risikoverwirklichung in Bezug auf den Schadenseintritt, die Vergrößerung des Schadens und/oder eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme des Versicherers darstellt, bei der der Versicherer den Vertrag überhaupt nicht oder jedenfalls nicht zu der vereinbarten Prämie abgeschlossen hätte (BGH VersR 2005, 218). Hierbei kommt es nicht nur auf einzelne Gefahrumstände an, sondern es ist zu fragen, wie sich die Gefahrenlage seit Antragstellung insgesamt entwickelt hat. Dabei sind alle gefahrerheblichen Umstände in Betracht zu ziehen, sodass gefahrerhöhende und verminderte Umstände im Sinne einer Gefahrkompensation gegeneinander abzuwägen sind (BGH VersR 2005, 218).
(2) Soweit es um den Brand eines Gebäudes geht, begründet zunächst alleine das Leerstehen eines Gebäudes noch keine relevante Erhöhung der Brandgefahr (BGH VersR 1982, 466 … HK-VVG/Karczewski, § 23 Rn 22). Zwar besteht hier eine erhöhte Brandgefahr wegen des Eindringens unbefugter Personen und der verminderten Kontrollmöglichkeiten. Andererseits wird die Feuergefahr vermindert, weil bestimmte mit der Benutzung verbundene Gefahrenquellen wegfallen. Das gilt jedenfalls für regelmäßig überwachte Gebäude in geschlossenen Ortslagen. Anders liegt es dagegen, wenn zu dem Leerstehen weitere Umstände hinzu kommen, insbesondere die unbeobachtete Lage außerhalb des Ortes, eine seit dem Auszug der letzten Nutzer erheblich verstrichene Zeit sowie ein nach außen offenkundig verwahrloster Zustand, insbesondere bezüglich nicht mehr ordnungsgemäß funktionierender Türen und Fenster (BGH VersR 1982, 466; OLG Koblenz VersR 2005, 1283). In einem solchen Fall kann davon ausgegangen werden, dass das Gebäude zu einem Anziehungspunkt für Unbefugte ...