SGB VII §§ 108, 135, 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
Leitsatz
Hat der Unfallversicherungsträger die Versicherung des Unfalls nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII angenommen und ist die Entscheidung gegenüber den Beteiligten unanfechtbar geworden, ist der Zivilrichter nach § 108 SGB VII daran gebunden. Der Haftungsfall darf keinem weiteren Unternehmer nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII zugeordnet werden.
BGH, Urt. v. 19.5.2009 – VI ZR 56/08
Sachverhalt
Die Klägerin führte eine von der Berufsgenossenschaft finanzierte Umschulung durch, in deren Rahmen sie ein Praktikum in dem Kindergarten der Beklagten absolvierte. Bei dem Zusammenbruch einer Markisenkonstruktion auf dem Gelände des Kindergartens wurde die Klägerin verletzt. Die Berufsgenossenschaft teilte dem Anwalt der Klägerin mit: "Sachstandsmitteilung/Zuständigkeit" … nach aktuellem Stand sind wir nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit c SGB VII der zuständige Kostenträger, da die Verletzte … zum Unfallzeitpunkt ein Praktikum im Rahmen einer Umschulung gem. § 3 Berufskrankheitenverordnung … absolvierte.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in r+s 2009, 171 veröffentlicht wurde, hat die Haftung der Beklagten für die geltend gemachten Schadensersatzansprüche der Klägerin bejaht. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: [7] „… II. Das Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
[8] Soweit die Revision rügt, das Berufungsurteil umfasse nicht die von der Klägerin mit der Anschlussberufung in zweiter Instanz geltend gemachten weiteren Ansprüche, weshalb insoweit eine Entscheidung zum Grunde dieser Ansprüche nicht gegeben sei und widersprechende Entscheidungen künftig nicht auszuschließen seien, vermag sich der erkennende Senat dieser Sichtweise nicht anzuschließen. Nach dem Wortlaut der Entscheidungsgründe des Berufungsurteils hat das BG alle zum Entscheidungszeitpunkt rechtshängigen Ansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt gehalten. Das BG hat mithin über die Anträge der Berufung und der Anschlussberufung dem Grunde nach entschieden. Bei dem unter Einbeziehung der Urteilsgründe gebotenen Verständnis umfasst somit die Urteilsformel sowohl die mit der Berufung angegriffenen als auch die mit der Anschlussberufung gestellten Ansprüche.
[9] B. Das Urteil begegnet aber im Übrigen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
[10] I. Die Revision wendet sich nicht dagegen, dass das BG die Anspruchsvoraussetzungen nach §§ 836 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB bejaht hat. Dies ist rechtlich auch nicht zu beanstanden (vgl. OLG Celle, VersR 1985, 345 mit NA-Beschluss des Senats vom 13.11.1984 – VI ZR 20/84).
[11] II. Jedoch hat das BG bei der Prüfung, ob die Beklagte gem. § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII von dieser Haftung befreit ist, den Umfang der Bindungswirkung des § 108 Abs. 1 SGB VII verkannt. Zwar geht das BG im Ansatz zutreffend davon aus, dass die Zivilgerichte grundsätzlich von Amts wegen die Bindungswirkung des § 108 SGB VII zu beachten haben, weil diese ihrer eigenen Sachprüfung – auch der des Revisionsgerichts – Grenzen setzt (BGHZ 158, 394, 397 = NJW-RR 2004, 1093; NJW-RR 1994, 90 = VersR 1993, 1540, 1541; VersR 2007, 1131, 1132; VersR 2008, 255, 256 und NJW-RR 2008, 1239 = VersR 2008, 820, 821). Jedoch hat es fälschlicherweise angenommen, dass es auf die Bindung an die versicherungsrechtliche Zuordnung des Schadensfalls unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 Nr. 15 c SGB VII an die BGFahrerlaubnis im zivilrechtlichen Haftungsprozess nicht ankomme, weil der Zivilrichter unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt einen Unfall als versicherten Arbeitsunfall einem weiteren Unternehmer zurechnen dürfe.
[12] 1. Diese Sichtweise des BG beruht auf der früheren, inzwischen aufgegebenen Rspr. des Senats, wonach die Zivilgerichte durch § 108 SGB VII nicht grundsätzlich gehindert waren, einen Arbeitsunfall einem weiteren Unternehmer zuzurechnen mit der Folge, dass auch diesem Unternehmer eine Haftungsprivilegierung zugute kommen konnte (grundlegend BGHZ 24, 247, 248 ff. = NJW 1957, 1319 und NJW 1972, 1990 = VersR 1972, 945, 946; daran anknüpfend BGHZ 129, 195, 198 f. = NJW 1995, 2038 und BGH NJW 1975, 1742 = VersR 1975, 1002; VersR 1977, 959 = BeckRS 1977, 30399997; NJW 1978, 2553 = VersR 1978, 150, 151; NJW 1980, 1796 = VersR 1980, 578; VersR 1983, 31, 32 = BeckRS 1982, 30398242; AP RVO § 637 Nr. 15 = VersR 1983, 728; NJW 1984, 204 = VersR 1984, 652; NJW-RR 1990, 1174 = VersR 1990, 995, 996; NJW 1991, 174 = VersR 1990, 1161, 1162). Insofern vertritt der erkennende Senat im Hinblick auf die geänderte Rechtslage diese Rechtsauffassung nicht mehr (Senat NJW-RR 2008, 1239 = VersR 2008, 820, 821 m.w.N.). Die Zivilgerichte sind nunmehr durch § 108 SGB VII hinsichtlich der Frage, ob ein Versicherungsfall vorliegt, in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist, an unanfechtbare Entscheidungen der Sozialbehörden und Sozialgerichte gebunden. Das gilt unabhängig davon, ob sie diese Entscheidungen für richtig halten (Senat NJW-RR 2008, 1239 m.w.N.).
[13] a) Fü...