PflVG § 3 Nr. 1 a.F.
1. Eine Direkthaftung nach § 3 Nr. 1 PflVG a.F. ist für Regressansprüche selbst haftpflichtiger Schädiger gegen ihnen zum Ausgleich verpflichteter Mitschädiger nicht gegeben.
2. Wird ein Schädiger über seine interne Haftungsquote hinaus von Geschädigten in Anspruch genommen, so stellt dies keinen Schaden dar, der den Schutz des PflVG genießt. Er ist vielmehr auf einen Regress nach allgemeinen Regeln gegen den oder die Mitschädiger beschränkt (vgl. BGHZ 177, 141).
BGH, Beschl. v. 27.7.2010 – VI ZB 49/08
Dem Verfahren nach Erledigung der Hauptsache lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Fahrer eines Tanklastzuges füllte den angelieferten Dieselkraftstoff in den Erdtank für Superbenzin und das Superbenzin in den Tank für Dieselkraftstoff. Dadurch kam es zu Motorschäden an Fahrzeugen von Tankstellenkunden. Für den Tankstellenbetrieb bestand bei der Klägerin eine Betriebshaftpflichtversicherung, die die Schäden der Kunden ausglich. Der Tanklastzug war bei der Beklagten kraftfahrzeughaftpflichtversichert. Die Klägerin hat die Beklagte auf den Ersatz der von ihr auf gewandten 65.000 EUR und auf die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden aus übergegangenem Recht in Anspruch genommen. Nach Zahlung der Klagesumme haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt und jeweils beantragt, der Gegenseite die Kosten aufzuerlegen. LG und Berufungsgericht haben der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Die Rechtsbeschwerde der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Aus den Gründen:
[6] “2. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 574 Abs. 3 S. 2, Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthaft, weil das Beschwerdegericht sie zugelassen hat und das Rechtsbeschwerdegericht an diese Zulassung gebunden ist. Allerdings hätte es sie nicht zulassen dürfen, weil die Rechtsbeschwerde gegen Kostenentscheidungen nach § 91a ZPO nicht geeignet ist, Rechtsfragen von grds. Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden, soweit es wie hier um Fragen des materiellen Rechts geht. Die Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigungserklärung ergeht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes’ und erfordert nur eine summarische Prüfung, bei der das Gericht auch im Rechtsbeschwerdeverfahren grds. davon absehen kann, in einer rechtlich schwierigen Sache alle für den Ausgang bedeutsamen Rechtsfragen abzuhandeln (BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – IV ZB 21/02 – VersR 2004, 1578 m.w.N.). Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig.
[7] 3. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat der Klägerin im Ergebnis zu Recht die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, weil ihr etwaige Schadensausgleichsansprüche jedenfalls nicht gegen die Beklagte zustehen. Auf die Zulassungsfrage kommt es nicht an.
[8] a) Die Klägerin hat weder aus eigenem noch aus übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers einen Direktanspruch gem. § 3 Nr. 1 PflVG a.F. i.V.m. § 67 VVG a.F. gegen die Beklagte.
[9] Eine Direkthaftung nach § 3 Nr. 1 PflVG a.F. ist für Regressansprüche selbst haftpflichtiger Schädiger gegen ihnen zum Ausgleich verpflichtete Mitschädiger nicht gegeben. Das Pflichtversicherungsgesetz dient, insb. durch Gewährung des Direktanspruchs, dem Schutz von Unfallopfern, nicht dem der Schädiger. Letztere sind daher nicht Dritte im Sinne dieser Vorschrift. Wird ein Schädiger über seine interne Haftungsquote hinaus von Geschädigten in Anspruch genommen, so stellt dies keinen Schaden dar, der den Schutz des Pflichtversicherungsgesetzes genießt. Er ist vielmehr auf einen Regress nach allgemeinen Regeln gegen den oder die Mitschädiger beschränkt (BGHZ 177, 141; Schwintowski/Brömmelmeyer/Huber, Praxiskomm. z. VersVertragsR, § 115 Rn 26). Dies gilt entspr. für einen hinter dem Mitschädiger stehenden Versicherer.
[10] b) Auch gesamtschuldnerische Ausgleichsansprüche kann die Klägerin weder aus eigenem noch aus übergegangenem Recht geltend machen.
[11] aa) Zwischen der Betriebshaftpflichtversicherung einerseits und der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung andererseits kam kein Gesamtschuldverhältnis zustande. Selbst wenn beide Versicherer den Schaden der Geschädigten zu ersetzen und damit eine identische Leistung zu erbringen hätten, würden sie nicht demselben Gläubiger, sondern jeweils ihren Versicherungsnehmern auf Grund der Versicherungsverträge leisten. Im Übrigen kann dahingestellt bleiben, ob ein Gesamtschuldverhältnis zwischen zwei Direktansprüchen ausgesetzten Versicherern entsteht (vgl. Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 27. Aufl., § 3 Nr. 1, 2 PflVersG Rn 11; Greger, HaftungsR des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 15 Rn 37; Lemke, r+s 2009, 45, 56), denn gegen die Betriebshaftpflichtversicherung ist gesetzlich kein Direktanspruch eingeräumt.
[12] bb) Ebensowenig kam zwischen der Tankstellenbetreiberin und der Beklagten ein Gesamtschuldverhältnis zustande. Zwar haftet der Kfz-Haftpflichtversicherer nach § 3 Nr. 2 PflVG a.F. (§ 115 Abs. 1 VVG 2008) neben dem Versicherungsnehmer bzw. Versicherte...