a. Qualität der Verstöße
Eine Ermäßigung des Regelsatzes kommt u.a. in Betracht, wenn unter Berücksichtigung des Einzelfalls der Vorwurf, der dem Betroffenen zu machen ist, geringer erscheint, als übliche Zuwiderhandlungen.
Kann bspw. ein Fahrer wegen störender Geräusche nicht schlafen (z.B. Kühlung eines neben ihm parkenden Tanklasters) und nimmt er daraufhin ein kurzes nächtliches Umparken während einer Ruhezeit in Kauf, wäre die Ruhezeit auf Grund der kurzen Unterbrechung nicht zu berücksichtigen. Trotz faktisch ausreichender Ruhe würde die Tageslenkzeit des nächsten Tages als Lenkzeitüberschreitung von 10 Stunden (1.200,– EUR Bußgeld) bewertet werden. Hier kann eine sachgerechte und angemessene Entscheidung nur über eine erhebliche Absenkung des Bußgeldes erfolgen.
b. Vorsatz/Fahrlässigkeit
Da die Verfolgungsbehörden üblicherweise entsprechend der Regelsätze von vorsätzlicher Begehungsweise ausgehen, ist stets zu prüfen, ob nicht auch Fahrlässigkeit vorliegen könnte. Denn bei fahrlässigem Handeln sind die im Bußgeldkatalog genannten Beträge auf die Hälfte zu ermäßigen.
Begeht der Fahrer gravierende Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten, wird die Annahme des Vorsatzes meist berechtigt sein. Handelt es sich jedoch um geringfügige Abweichungen von wenigen Stunden oder gar Minuten, kann eine fahrlässige Begehungsweise gut begründet werden. Dies nicht nur, wenn das Fahrzeug noch über ein analoges Kontrollgerät verfügt, bei welchem der Fahrer mangels Erlaubnis, das Schaublatt herauszunehmen, theoretisch handschriftlich Buch darüber führen muss, zu welchen Zeiten er seine Fahrt angetreten und Unterbrechungen eingelegt hat. Zwar erinnern digitale Kontrollgeräte den Fahrer grundsätzlich zu gegebener Zeit durch ein Warnsignal, eine Lenkzeitunterbrechung einzulegen. Gerade die digitalen Kontrollgeräte der ersten Generation, die noch in vielen Fahrzeugen eingebaut sind, geben Warnsignale aber nur bei bestimmten Verstößen ab (drohende Lenkzeitüberschreitung) oder teilen dem Fahrer mit, alles richtig gemacht zu haben, obwohl die Verfolgungsbehörden einen Verstoß ahnden würden. Macht ein Fahrer z.B. erst eine Fahrtunterbrechung von 16 Minuten und hält nun an, um den zweiten, 30-minütigen Teil der Fahrtunterbrechung einzulegen, zeigt das Gerät bereits nach 29 Minuten an, dass die 45-minütige Fahrtunterbrechung ordnungsgemäß eingelegt wurde und er weiterfahren kann. Befolgt er diese Angabe, könnte die Verfolgungsbehörde die Pausenaufteilung bei Annahme von Vorsatz mit einer Geldbuße von 120,– EUR ahnden. Ferner geben viele Geräte keine Warnsignale ab, wenn die Ruhezeit nicht eingehalten wird, weil der Fahrer morgens zu früh losfährt. Fahrlässigkeit lässt sich daher auch hier noch auf vielfältige Weise (z.B. Irrtum über die Start- oder Pausenzeiten) gut begründen.
Bei Verfahren gegen den Unternehmer oder Disponenten ist üblicherweise zunächst von Fahrlässigkeit auszugehen, die darin begründet ist, dass er bei der Planung der Tour fälschlicherweise davon ausging, sie sei unter Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten zu bewältigen. Vorsatz kommt hingegen in Betracht, wenn Anhaltspunkte für positives Wissen des Disponenten vorliegen, dass die geplante Tour unter Beachtung der Vorschriften kaum einzuhalten ist. So wenn er bereits mehrfach wegen Verstößen aufgefallen ist und z.B. erneut dieselbe Tour disponiert, obwohl er auf Grund eines anderen Verfahrens bereits wissen musste, dass sie unter Einhaltung der Vorschriften nicht durchführbar ist.
c. Wirtschaftliche Verhältnisse
Bei Vorliegen schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse des Betroffenen können die Regelsätze ermäßigt werden. Da die Geldbußen im Bereich der Zuwiderhandlungen gegen die Sozialvorschriften verhältnismäßig hoch sind, kann auf Grund der teilweise geringen Einkommen der Kraftfahrer eine erhebliche Reduzierung erzielt werden.
Nicht selten wird bei Erwähnung der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse darauf hingewiesen, dass eine Ratenzahlung möglich ist. Das OLG Frankfurt hat in seiner letzten Entscheidung vom 13.7.2010 auch noch einmal klargestellt, dass bei der Verhängung der Geldbuße eine kritische Prüfung vorzunehmen ist. Zwar sei das Gefährdungspotential übermüdeter Fahrer von Lkw im Straßenverkehr erheblich, jedoch müsse das Sanktionsgefüge zum Einen innerhalb der Norm, aber auch im Ganzen, im Blick behalten werden. Es handele sich (nur) um Ordnungswidrigkeiten, die bei Anwendung des Buß- und Verwarnungsgeldkatalogs Bußgelder ergeben, die Geldstrafen übersteigen, die für wesentlich gefährlichere Verkehrsstraftaten wie z.B. Trunkenheit im Verkehr verhängt werden.