StVO § 41 Abs. 2 § 49; StVG 24; BKAt 11.3.7; BKatV § 4 Abs. 4, OWiG § 17
Leitsatz
Von der Verhängung eines Fahrverbotes ist abzusehen, wenn das Fahrverbot eine außergewöhnliche und unverhältnismäßige Härte darstellen würde, weil der Betroffene arbeitslos ist, sich in der Existenzgründung als Elektro- und Veranstaltungsmeister befindet und Gründungszuschüsse mündlich durch die Agentur für Arbeit unter der Voraussetzung zugesagt worden sind, dass der Betroffene Inhaber eines Führerscheins der Klasse 3 ist, damit er Kundenakquise betreiben und Kunden aufsuchen kann.
(Leitsatz der Schriftleitung)
AG Wuppertal, Urt. v. 8.4.2011 – 26 Owi – 623 Js 1901/10 – 267/10
Sachverhalt
Der am 29.4.1975 geborene Betroffene ist verheiratet und hat drei Kinder im Alter von drei, vier und elf Jahren. Er ist seit dem 1.3.2011 arbeitslos und befindet sich in der Existenzgründung als Elektro- und Veranstaltungsmeister und bezieht derzeit Arbeitslosengeld I i.H.v. 1.199 EUR. Anträge auf Gründungszuschüsse sind gestellt und mündlich durch die Agentur für Arbeit unter der Voraussetzung zugesagt, dass der Betroffene Inhaber eines Führerscheins der Klasse 3 ist. Die Aufnahme der Tätigkeit ist für Mai 2011 geplant. Der Betroffene erhält von der KfW ein Coaching im Hinblick auf die Existenzgründung durch einen zertifizierten Steuerberater in S. Seine Frau ist nicht berufstätig. Die Familie bezieht Kindergeld i.H.v. 556 EUR. Der Betroffene geht davon aus, in diesem Jahr wegen der Existenzgründung keinen Urlaub machen zu können; allenfalls seine Frau und die Kinder würden gegebenenfalls einen 1 – 2 wöchigen Urlaub bei der Schwiegermutter verbringen können.
Straßenverkehrsrechtlich ist der Betroffene bislang wie folgt in Erscheinung getreten:
Mit Bußgeldbescheid der Bußgeldbehörde der Stadt S v. 26.6.2006 rechtskräftig seit 13.7.2006 wurde gegen ihn eine Geldbuße von 70 EUR festgesetzt, weil er als Führer eines Pkw die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 24 km/h überschritten hatte. Gegen den Betroffenen wurde ferner mit Bußgeldbescheid der Bußgeldbehörde der Stadt M v. 27.8.2008 rechtskräftig seit 16.9.2008 eine Geldbuße i.H.v. 40 EUR festgesetzt, weil er als Führer eines Pkw die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 24 km/h überschritten hatte. Mit Bußgeldbescheid der Bußgeldbehörde der Stadt K v. 25.8.2009 rechtskräftig seit 15.9.2009 wurde gegen den Betroffenen schließlich eine Geldbuße i.H.v. 70 EUR festgesetzt, weil er als Führer eines Pkw die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h überschritten hatte.
Der Betroffene befuhr am 22.9.2010 um 19:03 Uhr mit einem Pkw die Bundesautobahn A 46 von W in Richtung D. Zwischen dem Kreuz S und der Anschlussstelle H gilt durch vorheriges Verkehrszeichen 274 eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h. Die vom Betroffenen in diesem Bereich gefahrene Geschwindigkeit betrug abzüglich der fünfprozentigen Toleranz 121 km/h.
Der Oberbürgermeister der Stadt W hat unter dem 22.10.2010 gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 41 km/h einen Bußgeldbescheid erlassen, gegen den der Betroffene fristgerecht Einspruch hat einlegen lassen.
Auf den Einspruch des Betroffenen verurteilt das AG den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 185 EUR.
2 Aus den Gründen:
“ … . IV. Das Verhalten des Betroffenen stellt einen fahrlässigen Verstoß gegen § 41 Abs. 2 i.V.m. § 49 StVO dar, da der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 41 km/h überschritten hat, was er bei der gebotenen Aufmerksamkeit hätte erkennen und vermeiden können.
V. Bei der Bußgeldzumessung war vom Rahmen der Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) auszugehen. Diese sieht für den zugrunde liegenden Verstoß grds. die Verhängung einer Geldbuße von 160 EUR und ein Fahrverbot von einem Monat vor. Da der Betroffene verkehrsrechtlich bereits mehrmals einschlägig in Erscheinung getreten ist, wurde die Regelgeldbuße durch die Bußgeldbehörde bereits angemessen erhöht auf 185 EUR. Wegen der besonderen Umstände erschien es jedoch nicht angezeigt, ein Fahrverbot zu verhängen. Nach § 4 Abs. 4 BKatV kann von der Verhängung eines Fahrverbotes in solchen Fällen abgesehen werden, in denen der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen so erhebliche Abweichungen vom Normalfall aufweist, dass die Annahme eines Ausnahmefalles gerechtfertigt ist und die Verhängung eines Fahrverbotes trotz der groben Pflichtverletzung unangemessen wäre, wobei das Vorliegen erheblicher Härten oder einer Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände ausreicht. Hierzu zählt zum Beispiel der drohende Verlust des Arbeitsplatzes, bloße berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten reichen indes nicht aus. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Betroffenen, vertreten durch seinen Verteidiger, ist er aufgrund seiner Existenzgründung auf die Fahrerlaubnis ange...