4. Auflage 2011, Luchterhand, 2688 Seiten, 139 EUR, ISBN: 978-3-472-07816-6
Das Versicherungsrecht ist ähnlich dem Familien- oder Insolvenzrecht eine Materie, für die sowohl der Spezialist wie auch der nur gelegentlich hiermit in Verbindung kommende Praktiker klare Übersichten und Strukturen benötigt. Der vorliegende Band wird dem gerecht und verbindet hierbei die Vorzüge eines Lehrbuches mit denen eines Nachschlagewerkes.
43 Autoren führen hierbei den Leser durch alle Gebiete des Versicherungsrechts einschließlich Prozessführung, Versicherungsaufsicht, Auslandsbezug, Arzthaftungsrecht, Produkthaftung und Rückversicherung.
Etwas knapp sind allerdings die Ausführungen zum AGB-Recht, obwohl das Einleitungskapitel "Allgemeines Versicherungsvertragsrecht" (verfasst von Wandt) im Übrigen vorbildlich gründlich auf alle grundsätzlichen Fragen eingeht. Diese fast 300 Seiten des ersten Kapitels sind ausgesprochen hilfreich, halten sie doch wie eine Klammer die oft sehr detaillierten Ausführungen der nachfolgenden Kapitel zusammen.
Auch der Frage, ob die Rechtsprechung zu Kick-Backs im Bankenbereich Einfluss im Versicherungsrecht finden wird, sollte zukünftig mehr Raum zukommen.
Angesprochen werden nicht nur (potenzielle) Fachanwälte sondern alle Juristen einschließlich Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, die sich einen soliden Überblick über den aktuellen Stand des VVG verschaffen wollen oder das Handbuch für einen konkreten Fall benötigen.
So ist auch hier (Kapitel 34, Rn 198) berücksichtigt, dass nach § 5 Rn 5 ARB die Selbstvertretung des Rechtsanwalts in eigener Sache nicht ausgeschlossen werden kann (BGH v. 10.11.2010 – IV ZR 188/08 = NJW 2011, 235 = VersR 2011, 67).
Die Relevanzrechtsprechung findet sich in Kapitel 23, Rn 64: Nach der so genannten Relevanzrechtsprechung des IV. Senats kann sich der Versicherer nur dann gem. § 6 Abs. 3 S. 1 VVG a.F. auf Leistungsfreiheit wegen einer vorsätzlichen folgenlosen Obliegenheitsverletzung berufen, wenn diese generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden und dem Versicherungsnehmer ein erhebliches Verschulden zur Last fiel. (BGH v. 10.11.2010 – IV ZR 122/09, VersR 2011, 369, Rn 16; v. 6.7.2011 – IV ZR 108/07 (Anzahl von Pkw-Schlüsseln); v. 4.5.2009 – IV ZR 62/07, VersR 2009, 968, Rn 9; v. 28.2.2007 – IV ZR 331/05, VersR 2007, 785, Rn 15; v. 7.7.2004 – IV ZR 265/03, VersR 2004, 1117 unter 3; v. 21.1.1998 – IV ZR 10/97, VersR 1998, 447 unter 2 b; v. 7.12.1983 – IVa ZR 231/81, VersR 1984, 228, 229; jeweils m.w.N.).Die Leistungsfreiheit setzt weiter voraus, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer vorher deutlich über den Anspruchsverlust belehrt hat, der ihm bei vorsätzlich falschen Angaben droht. (BGH v. 4.5.2009 a.a.O.; v. 28.2.2007 – IV ZR 152/05, VersR 2007, 683, Rn 2; BGH v. 21.1.1998 a.a.O. unter 2c; jeweils m.w.N.). Falsche Angaben können daher nicht generell zum Ausschluss der Versicherungsleistung führen, sondern nur dann, wenn diese für die Leistungspflicht relevant sind. Die Klausel: "Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, alle Angaben wahrheitsgemäß und vollständig zu machen. Bewusst unwahre oder unvollständige Angaben führen zum Verlust des Versicherungsschutzes auch dann, wenn dem Versicherer daraus keinerlei Nachteile entstehen. Der Versicherungsschutz kann selbst dann entfallen, wenn der Versicherungsnehmer die Beantwortung der Fragen des Versicherers nur verzögert" ist vom BGH noch gebilligt worden (BGH v. 22.6.2011 – IV ZR 174/09), hätte daher beanstandet werden sollen. Auch dies zeigt, das Versicherungsrecht ist sehr stark im Fluss und bedarf gerade deshalb aktueller und gut strukturierter Momentaufnahmen. Literatur und Rechtsprechung wurden soweit ersichtlich bis etwa Juni 2011 ausgewertet, was bei einem Werk dieses Umfangs sehr beachtlich ist.
Zusammenfassend: Dieses Handbuch ist für den im Versicherungsrecht (auch) tätigen Juristen eine echte Erleichterung. Wer ein wirklich umfassendes und aktuelles Werk benötigt, sollte zu diesem Handbuch greifen. Auch ein guter Kommentar wird hierdurch noch besser.
RA Dr. Jürgen Niebling, München-Pullach