BGB § 844; ZPO § 287
Leitsatz
1. Zur Bestimmung des Barunterhaltsschadens sind von dem fiktiven Nettoeinkommen des Getöteten die "fixen Kosten" vorweg abzusetzen. Fixe Kosten sind die Kosten, die unabhängig vom Wegfall des Getöteten im Haushalt weiterlaufen.
2. Soweit der Getötete Aufwendungen für eine Unfallversicherung seiner Ehefrau getroffen hat, können diese nicht als fixe Kosten berücksichtigt werden, da er unterhaltsrechtlich nicht zur Zahlung dieser Kosten verpflichtet war. Auch die Prämien für eine Lebensversicherung des Getöteten stellen keine fixen Kosten dar, da ab seinem Tode keine weiteren Prämien zu entrichten waren.
3. Aufwendungen für die Lebensversicherung der Ehefrau des getöteten Selbstständigen, die während der Zeit der aktiven beruflichen Tätigkeit erbracht wurden, sind mit dem Anteil, der nicht der Vermögensbildung dient, als fixe Kosten von dem unterhaltsrechtlich relevanten Nettoeinkommen abzuziehen. Dieser Anteil ist gem. § 287 ZPO zu schätzen.
4. Bei der Bestimmung künftiger zu ersetzender fixer Kosten ist die Altersentwicklung der Kinder des Getöteten schon wegen des Wegfalls der Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern zu berücksichtigen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
BGH, Urt. v. 5.6.2012 – VI ZR 122/11
Sachverhalt
Der Ehemann der Kl. zu 1) und Vater des Kl. starb im Jahre 2004 infolge eines Verkehrsunfalls, für dessen Folgen die Bekl. in voller Höhe eintrittspflichtig sind.
Die Kl. machen den Ersatz entgangenen Unterhalts geltend. Im Mittelpunkt des Streits der Parteien steht die Frage, ob die von dem Getöteten aufgebrachten Aufwendungen für eine Unfallversicherung der Kl. zu 1), die Prämien für eine Lebensversicherung des Getöteten und für eine Lebensversicherung der Kl. zu 1) als fixe Kosten zu berücksichtigen sind.
Der Senat ging lediglich von einer teilweisen Berücksichtigung der Prämien für die Lebensversicherung der Kl. zu 1) aus.
2 Aus den Gründen:
[2] "Nach Auffassung des BG steht der Kl. gegen die Bekl. ein Anspruch auf Ersatz des ihr durch den Unfalltod ihres Ehemannes entstandenen Unterhaltsschadens in Form einer monatlich zu zahlenden Geldrente zu, jedoch für die Zeit vom 1.1.2005 bis 30.6.2005 nur i.H.v. monatlich 179,07 EUR und für die Zeit vom 1.7.2005 bis 28.2.2015 nur i.H.v. monatlich 236,18 EUR. Der Rentenanspruch ende am 28.2.2015 mit der Vollendung des 16. Lebensjahres des Kl. zu 2. Von diesem Zeitpunkt an sei die betriebliche Arbeitsleistung der Kl. in ihrem Schausteller- und Imbissbetrieb wegen des dann geringeren Betreuungsbedarfs des Kindes auf 50 % zu erhöhen. Da der sich für diese Zeit errechnende Unterhaltsrentenbetrag der Kl. i.H.v. monatlich 327,77 EUR geringer sei als die ihr zustehende Witwenrente, entfalle ein Rentenanspruch gegen die Bekl."
[3] II. Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
[4] 1. Das BG stellt zutreffend darauf ab, dass nach § 844 Abs. 2 BGB bei der Tötung eines gesetzlich zum Unterhalt Verpflichteten die unterhaltsberechtigte Person Anspruch auf Ersatz des Schadens hat, der ihr durch Entzug des Unterhaltsrechts entsteht (vgl. Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 10. Aufl., Rn 319). Der Ersatz ist grds. durch Entrichtung einer Geldrente zu leisten. Dabei hat nach § 823 Abs. 1, § 844 Abs. 2 BGB der Schädiger dem Geschädigten bei Vorliegen der vom BG festgestellten weiteren Voraussetzungen insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts nach dem Gesetz verpflichtet gewesen wäre. Dies zwingt den Richter zu einer Prognose, wie sich die Unterhaltsbeziehungen zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Unterhaltspflichtigen bei Unterstellung seines Fortlebens nach dem Unfall entwickelt hätten. Er muss daher gem. § 287 ZPO eine vorausschauende Betrachtung vornehmen, in die er alle voraussehbaren Veränderungen der Unterhaltsbedürftigkeit des Berechtigten und der (hypothetischen) Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, wäre er noch am Leben, einzubeziehen hat. Dabei hat der Tatrichter bei der Festsetzung der Unterhaltsrente für die Zukunft sämtliche für die Bemessung dieser Rente im Bezugszeitraum zukünftig maßgebend werdenden Faktoren zu berücksichtigen (vgl. Senatsurt. v. 24.4.1990 – VI ZR 183/89, VersR 1990, 907; v. 4.11.2003 – VI ZR 346/02, VersR 2004, 75, 77 m.w.N.; v. 27.1.2004 – VI ZR 342/02, VersR 2004, 653 und v. 25.4.2006 – VI ZR 114/05, VersR 2006, 1081 Rn 8).
[5] 2. Der Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflicht bestimmt sich nicht nach § 844 Abs. 2 BGB, sondern nach den unterhaltsrechtlichen Vorschriften. Den nach diesen Normen geschuldeten Unterhalt setzt § 844 Abs. 2 BGB voraus (vgl. Senatsurt. v. 4.11.2003 – VI ZR 346/02, a.a.O. S. 76).
[6] a) Bei der Ermittlung des Barunterhaltsschadens geht das BG zutreffend von den Grundsätzen der Rspr. des BGH aus (vgl. z.B. Senatsurt. v. 6.10.1987 – VI ZR 155/86, VersR 1987, 1243 f.; v. 31.5.1988 – VI ZR 116/87, VersR 1988, 954, 955, 957; v. 5.12.1989 – VI ZR 276/88, VersR 1990, 317 f. und v. 2.12.1997 ...