ZPO § 91 Abs. 2. S. 1 § 103; BGB § 242
Leitsatz
1. Ein Kostenfestsetzungsverlangen kann als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn der ASt. die Festsetzung von Mehrkosten beantragt, die dadurch entstanden sind, dass er einen oder mehrere gleichartige, aus einem einheitlichen Lebensvorgang erwachsene Ansprüche gegen eine oder mehrere Personen ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen verfolgt hat.
2. Gleiches gilt für Erstattungsverlangen in Bezug auf Mehrkosten, die darauf beruhen, dass mehrere von demselben Prozessbevollmächtigten vertretene ASt. in engem zeitlichem Zusammenhang mit weitgehend gleichlautenden Antragsbegründungen aus einem weitgehend identischen Lebenssachverhalt ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen gegen den- oder dieselben AG vorgegangen sind.
3. Erweist sich das Kostenfestsetzungsverlangen als rechtsmissbräuchlich, muss sich der ASt. kostenrechtlich so behandeln lassen, als habe er ein einziges Verfahren geführt.
BGH, Beschl. v. 11.9.2012 – VI ZB 59/11
Sachverhalt
Der ASt. hatte beim LG Berlin zum Az. 27 O 122/10 gegen die AG eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung einer Wortberichterstattung erwirkt. Auf Antrag von vier weiteren Familienmitgliedern des ASt. hat das LG Berlin in vier weiteren Verfahren zu den Az. 27 O 96/10, 27 O 123/10, 27 O 126/10 und 27 O 127/10 gleichlautende Untersagungsverfügungen betreffend dieselbe Wortberichterstattung gegen die AG erlassen. Auf Antrag des ASt. im Verfahren 27 O 122/10 hat die Rechtspflegerin des LG gegen die unterlegene AG antragsgemäß Kosten i.H.v. 784,03 EUR festgesetzt.
Mit ihrer hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat die AG geltend gemacht, die Verfolgung der Unterlassungsansprüche der fünf Familienmitglieder in fünf getrennten Verfahren sei rechtsmissbräuchlich. Der ASt. könne anteilig nur diejenigen Kosten erstattet verlangen, die für die Führung eines gemeinsamen Verfahrens aller fünf ASt. angefallen wäre. Da die AG in dem Verfahren 27 O 123/10 einen Betrag i.H.v. 784,03 EUR und in dem Verfahren 27 O 127/10 weitere 783,33 EUR beglichen habe, könne im vorliegenden Verfahren lediglich noch der Differenzbetrag zu den bei gemeinsamer Rechtsverfolgung entstandenen Kosten in Höhe von 1650,35 EUR, mithin nur noch ein Restbetrag v. 82,99 EUR festgesetzt werden.
Das KG RVGreport 2012, 233 (Hansens) = AGS 2012, 146 hatte die sofortige Beschwerde der AG zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde führte zur Zurückverweisung an das KG.
2 Aus den Gründen:
[6] "… III. 2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist der von der AG erhobene Einwand, der ASt. und seine Angehörigen hätten durch das Erwirken von fünf gleichlautenden und auf dieselbe Berichterstattung gestützten Unterlassungsverfügungen in getrennten Verfahren ungerechtfertigt Mehrkosten verursacht, im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen."
[7] a) Es erscheint allerdings fraglich, ob die Erstattungsfähigkeit der durch die getrennte Geltendmachung der Unterlassungsansprüche entstandenen erhöhten Rechtsanwaltsgebühren mit der Begründung verneint werden kann, dass diese Kosten nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO gewesen seien (vgl. BGH NJW-RR 2011, 230 für den Fall einer Anfechtungsklage mehrerer Kl. gegen denselben Beschl. der Wohnungseigentümer; OLG Köln, JurBüro 2011, 536; OLG Hamburg, MDR 2003, 1381, 1382; OLG Düsseldorf, MDR 1972, 522, 523; Jaspersen/Wache in Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, § 91 Rn 119 [Stand: April 2012]). Denn die Ersatzfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren richtet sich nicht nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, sondern nach § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 ZPO. Nach dieser Bestimmung sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten. Die Norm bildet insofern eine Ausnahme, als sie für ihren Anwendungsbereich von der grds. gebotenen Prüfung der Notwendigkeit entstandener Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entbindet. Diese Frage kann indes offen bleiben.
[8] b) Denn der Einwand der AG ist im Kostenfestsetzungsverfahren jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs zu berücksichtigen.
[9] aa) Nach der gefestigten Rspr. des BGH und des BVerfG unterliegt jede Rechtsausübung – auch im Zivilverfahren – dem aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleiteten Missbrauchsverbot (BGH BGHZ 172, 218 Rn 13 f.; NJW 2007, 2257; BGHZ 149, 311, 323; BVerfG, NJW 2002, 2456, jeweils m.w.N.). Als Ausfluss dieses auch das gesamte Kostenrecht beherrschenden Grundsatzes ist die Verpflichtung jeder Prozesspartei anerkannt, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann dazu führen, dass das Festsetzungsverlangen als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist und die unter Verstoß gegen Treu und Glauben zur Festset...