StPO § 267 Abs. 1
Leitsatz
1. Hat der Tatrichter den Betr. anhand eines bei einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Lichtbildes als Fahrer identifiziert, müssen die Urteilsgründe so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Beweisfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen.
2. Die Verweisung i.S.v. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO muss grds. prozessordnungsgemäß sein; Zweifel am Vorliegen einer Verweisung müssen ausgeschlossen sein; die bloße Mitteilung der Fundstelle und die Mitteilung, das Lichtbild sei in Augenschein genommen worden, genügen hierzu nicht.
(Leitsatz des Einsenders)
OLG Koblenz, Beschl. v. 21.9.2012 – 2 SsBs 54/12
Sachverhalt
Mit Urt. v. 13.3.2012 hat das AG gegen den Betr. wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit beim Führen eines Kfz außerhalb geschlossener Ortschaft um 46 km/h eine Geldbuße i.H.v. 240 EUR verhängt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Nach den Feststellungen befuhr der Betr. am 20.8.2011 gegen 9.30 Uhr die BAB in der Gemarkung N mit einer Geschwindigkeit von 146 km/h, obgleich die zulässige Höchstgeschwindigkeit in diesem Bereich durch mehrfach beidseitig neben der Fahrbahn aufgestellte Verkehrszeichen auf 100 km/h beschränkt war. Zur Identifizierung des Betr., der sich zur Sache nicht eingelassen hatte, hat das AG Folgendes ausgeführt:
"Die Identität des Betr. mit dem auf BI. 6/6a d.A. abgebildeten Fahrer steht fest aufgrund der gutachtlichen Stellungnahme des Sachverständigen, Dr. G., der aufgrund langjähriger forensischer Erfahrung über die erforderliche Sachkunde zum Vergleich von Gesichtern auf Fotos besitzt. Auszugehen ist von dem Foto, mit welchem dann der Betr. im Wege des Augenscheins durch das Gericht und Betrachtung durch den Sachverständigen verglichen wird."
Der Sachverständige hat das Messfoto trotz Teilverdeckung des Gesichts durch Hand und Wageninnenspiegel nachvollziehbar als brauchbar bezeichnet, da er noch 21 Merkmalsausprägungen darauf erkennen konnte. Dabei ergab sich als Unähnlichkeit lediglich die vom Fahrer getragene Brille, während der Betr. kein Brillenträger ist, ansonsten keine wesentlichen Widersprüche. Diese Unähnlichkeit erachtet das Gericht nicht als ausreichenden Zweifel, da nicht feststeht, ob es sich um eine Brille mit optischer Stärke handelt, das Tragen ansonsten auch kein unveränderliches Merkmal darstellt.
An Ähnlichkeiten stellte der Sachverständige folgende, vom Gericht auch durch augenscheinlichen Vergleich mit dem anwesenden Betr. nachvollzogene Ähnlichkeiten; die Form der Wangen, den Verlauf der Furche vom Nasenansatz nach unten am Mund vorbei, die Form und Größe der Nase (Rücken, Spitze und Boden), den Verlauf des Stirnhaaransatzes, den vergleichsweise engen Augenabstand, sowie eingezogene Mundwinkel und die Höhe des Oberlippenraums. Vorbehaltlich der Möglichkeit, dass ein naher Blutsverwandter gefahren sei, kommt der Sachverständige zu einer Wahrscheinlichkeitsbewertung von wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich, was auf einer siebenstufigen Skala mit sieben als "sicher" zwischen Stufe vier und fünf liegt. Dies reicht dem Gericht aus, um zu der Überzeugung zu gelangen, dass der Betr. der abgebildete Fahrer ist. Die Ausführungen des Sachverständigen konnten in Anwesenheit des Betr. nachvollzogen werden.“
Auf die Rechtsbeschwerde des Betr. hebt das OLG das Urt. des AG mit den Feststellungen auf und verweist die Sache zu neuer Entscheidung an dieselbe Abteilung des AG zurück.
2 Aus den Gründen:
" … II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache einen jedenfalls vorläufigen Erfolg. Die lückenhaften Feststellungen lassen nicht erkennen, ob das von Gericht und Sachverständigem zur Identifizierung des Betr. herangezogene Lichtbild des Fahrers als Beweisfoto überhaupt geeignet war."
Die Generalstaatsanwaltschaft hat sich in ihrer Antragsschrift v. 6.9.2012 dazu auszugsweise wie folgt geäußert:
“Die Feststellungen im Urt. v. 13.3.2012 sind lückenhaft und entsprechen nicht den Anforderungen der §§ 261, 267 Abs. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG. Die Urteilsgründe lassen nicht in rechtlich überprüfbarer Weise erkennen, ob die vom Sachverständigen oder vom Bußgeldrichter selbst durch Vergleich des Tatfotos mit dem Gesicht des Betr. vorgenommene Identifizierung eine tragfähige Grundlage für die richterliche Überzeugungsbildung ist (vgl. Senat, Beschl. v. 2.10.2009 – 2 SsBs 100/09, zit. n. juris). Hat der Tatrichter den Betr. anhand eines bei einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Lichtbildes als Fahrer identifiziert, müssen die Urteilsgründe so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Beweisfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen (Senat a.a.O.; Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 71 Rn 47a m.w.N.). Die Urteilsfeststellungen enthalten insoweit keinerlei Ausführungen zur Bildqualität des Messfotos und beschreiben die abgebildete Person oder mehrere charakteristische ldentifizierungsmerkmale nicht so präzise, dass dem Rechtsbeschwerdegerich...