AHB II § 5 (2)
Leitsatz
Vom VR zu beweisende Voraussetzung der Verletzung der Obliegenheit zur Anzeige des Versicherungsfalls ist die Kenntnis des VN vom Bestehen eines Versicherungsvertrags.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Saarbrücken, Urt. v. 15.5.2013 – 5 U 344/12
Sachverhalt
Der VN unterhielt seit 2001 beim VR eine Gebäudehaftpflichtversicherung zu einer Jahresprämie von 11,07 EUR. Im Februar 2008 stürzte W während einer Hilfe für einen Mieter des VN in dem versicherten Gebäude über ein defektes Holzbalkongeländer, das brach, in die Tiefe und verletzte sich erheblich. Der VN meldete den Schaden zunächst seinem privaten Haftpflicht-VR und sodann seinem Gebäude-VR. Erst nach einer Verurteilung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes unterrichtete er im Juni 2009 seinen Gebäudehaftpflicht-VR.
2 Aus den Gründen:
" … II. 2. Die Bekl. ist – entgegen der Annahme des LG – nicht nach § 6 Abs. 3 VVG a.F. i.V.m. §§ 5, 6 AHB leistungsfrei. Leistungsfreiheit würde voraussetzen, dass der Kl. die Obliegenheit zur Anzeige des Versicherungsfalls nach II § 5 (2) AHB verletzt hat. Das hat die Bekl. nicht bewiesen."
Eine den VN treffende Anzeigeobliegenheit nach II § 5 (2) AHB setzt voraus, dass er positive Kenntnis vom Eintritt eines “Versicherungsfalls’ hat. Das bedeutet, dass er das Schadensereignis kennen muss und weiß oder zumindest damit rechnet, dass es Haftpflichtansprüche Dritter gegen ihn zur Folge haben könnte, für die sein Haftpflicht-VR, die Bekl., eintrittspflichtig sein kann. Ein bloßes Kennenkönnen oder Kennenmüssen des Schadensereignisses oder der die Haftpflicht begründenden Tatsachen genügt nicht (BGH VersR 2007, 187). Der vom VR nachzuweisende objektive Tatbestand einer Verletzung der Anzeigeobliegenheit setzt damit die Kenntnis des VN davon voraus, dass er etwas und was er anzuzeigen hat (BGH VersR 2009, 1659; VersR 2008, 484; VersR 2007, 389).
Der Kl. kannte zwar – positiv – das Schadensereignis. Er wusste auch spätestens, als der Geschädigte den Kl. mit Anwaltsschriftsatz vom 28.3.2008 in Anspruch nahm, am 3.7.2008 Strafanzeige gegen ihn erstattete und ihn im Dezember 2008 verklagte, dass dieses Schadensereignis Haftpflichtansprüche Dritter gegen ihn zur Folge haben kann.
Dies genügt alleine aber nicht. Hinzukommen muss die Kenntnis, dass ein Versicherungsvertrag besteht, der das betroffene Risiko grds. erfasst (OLG Hamm r+s 1997, 391; Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 30 Rn 2; Rixecker, in: Römer/Langheid, VVG, 3. Aufl., § 30 Rn 4). Denn ohne diese Kenntnis gibt es ebenfalls nichts, worüber der VN einen konkreten VR aufklären kann. Wer nicht weiß, dass er versichert ist, weiß auch nicht, dass ein Versicherungsfall eingetreten sein kann. Wer nicht weiß, dass er ein VN ist, dem ein VR aus einem Versicherungsvertrag Deckung schulden kann, weiß auch nicht, dass ihn eine von einem VN zu erfüllende Obliegenheit treffen kann.
Allerdings ist regelmäßig davon auszugehen, dass ein VN sich dieser Eigenschaft bewusst ist, weil er den Versicherungsvertrag selbst abgeschlossen hat und weil er die von ihm geschuldeten Prämien gezahlt hat und zahlt. Positive Kenntnis des Kl. ist im Streitfall jedoch nicht alleine deshalb anzunehmen, weil er unstreitig selbst die Gebäudehaftpflichtversicherung bei der Bekl. abgeschlossen und die darauf entfallenden Beiträge entrichtet hat. Die Kenntnis von Tatsachen in der Vergangenheit führt nicht zwingend zur Kenntnis dieser Umstände zu einem späteren Zeitpunkt, hier dem entscheidenden Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles. Ähnlich wie beim Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO – BGH BGHZ 109, 205) wird zwar von einem VN zu verlangen sein, dass er sich durch Einsichtnahme in seine Unterlagen kundig macht, sich also nicht arglistig einer erforderlichen Kenntnis entzieht. Legt der VN allerdings dar, dass dies geschehen ist und zu keinem positiven Ergebnis geführt hat, muss der VR eine trotzdem bestehende positive Kenntnis oder ein Sich-Verschließen vor der Kenntnis beweisen.
Der Kl. hat behauptet, seine Versicherungsunterlagen zweimal durchsucht zu haben, ohne dass er auf Unterlagen über den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag gestoßen sei, so dass er davon ausgegangen sei, dass er eine Gebäudehaftpflichtversicherung nicht abgeschlossen habe. Er hat dies plausibel damit erklärt, dass die Unterlagen der Gebäudehaftpflichtversicherung irrtümlich zu den Unterlagen einer Kfz-Versicherung für seine Tochter bei der Bekl. gelangt seien, so dass diese nicht in seinem Besitz gewesen seien. Auch trat der streitgegenständliche Versicherungsfall mehr als 6 Jahre nach Beginn des abgeschlossenen Zehnjahresvertrags ein. Dass der Kl. als durchschnittlicher VN trotz Abschlusses einer Gebäudehaftpflichtversicherung sich nicht noch nach Jahren sicher war, eine solche abgeschlossen zu haben, weil er lediglich Unterlagen einer Privathaftpflichtversicherung und Gebäudeversicherung auffinden konnte, ist möglich. Ein durchschnittlicher VN wird sich, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, mit dem Leistungsumfang einer Geb...