Die Entscheidung des OLG Köln bietet viel Wissenswertes für das materielle Verkehrsstrafrecht. Denn gerade die "großen" und meist eindeutig vorliegenden Vergehen wie Unfallflucht oder Fahren ohne Fahrerlaubnis gehen oft einher mit daneben verwirklichten Delikte wie etwa der Nötigung oder dem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz. Wenn dort, gerade weil die tatbestandlichen Voraussetzungen gar nicht so simpel sind, Fehler in den Urteilsfeststellungen geschehen, ist das bei entsprechendem Zusammenhang der Taten für den Verteidiger ein idealer Hebel für das Rechtsmittelverfahren. Dies zwar nicht zwingend für die Höhe der Gesamtstrafe, aber durchaus für unangenehme Nebenstrafen, Maßregeln oder andere (ggf. präjudizierende) Wirkungen eines solchen Schuldspruchs für ein Zivilverfahren (vgl. nur BGH, Urt. v. 7.6.1988 – VI ZR 203/87, juris = VersR 1988, 842, zur Frage des Überschreitens des Umfangs der Gestattung) oder vor der Verwaltungsbehörde. Nachdem hier gleich in zwei Instanzen eine Verkennung des "Gestattens" erfolgte – das "Dulden" ähnelt ein wenig dem Zulassen des § 21 Abs. 1 Nr. 2 StVG –, hat das OLG Köln dies überzeugend korrigiert und dabei die herrschende Rechtsprechung fortgeführt. Zudem hat das OLG Köln die erforderliche Sachherrschaft des Gestattenden betont, die bei einer völlig fehlenden Kontrolle über das von einem anderen geführte Fahrzeug überhaupt nicht vorliegen kann. Auch hier lohnt sich der vergleichende Blick, zum einen auf § 21 StVG und zum anderen auf die zivilrechtlichen Haftungsfolgen (vgl. BGH VersR 1979, 766).
Bezüglich der Nötigung im Straßenverkehr nimmt das OLG Köln die Einordnung der bedrängenden Fahrweise in die Tatbestandsalternativen des § 240 StGB (die Drohungsalternative hat, folgt man dem Gewaltbegriff der Rspr., ohnehin wenig Anwendungsspielraum, vgl. König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., 2013, § 240 StGB, Rn 5, 27, 29) vor und betont die objektiven Voraussetzungen der Annahme von Gewalt, nämlich die Intensität und die Dauer der Handlung. Hier ist das Gericht gehalten, umfassende Feststellungen zu treffen, um aus diesen das Vorliegen von Gewalt zu bejahen oder zu verneinen. Auch hier bieten sich dem Verteidiger Ansatzpunkte, zum einen in der Hauptverhandlung, um das Verhalten des Angeklagten im Gesamtzusammenhang als weniger gewichtig herauszustellen – ggf. eignet sich hierfür auch ein Ortstermin –, des Weiteren kann durch entsprechende Acht auf das Protokoll und die späteren Urteilsgründe rasch erkannt werden, ob eine Verurteilung auf zu dünner Tatsachengrundlage erfolgt ist.
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 12/2013, S. 712 - 715