AUB 2008 2.3.1 5.2.3.
Leitsatz
1. Das Einatmen erbrochener Nahrung ist kein Unfall.
2. Die Ernährung über eine PEG-Sonde stellt eine Heilmaßnahme dar.
OLG Hamm, Beschl. v. 6.9.2013 – 20 U 149/13
1 Aus den Gründen:
" … Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil ein Anspruch auf die Todesfallleistung nach dem Versicherungsvertrag nicht besteht."
1. Anspruchsvoraussetzung ist nach Ziffer 2.3.1 AUB 2008, dass die versicherte Person “infolge des Unfalls’ stirbt, d.h. infolge eines von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses i.S.d. Ziffer 1.3 Abs. 1 AUB 2008.
Unstreitig ist die VN indes an einer Aspirationspneumonie, also einer Lungenentzündung wegen Einatmens von Erbrochenem verstorben. Das LG hat zu Recht darauf verwiesen, dass für die Frage einer von außen auf den Körper wirkenden Ursache allein das Ereignis in den Blick zu nehmen ist, welches die Gesundheitsbeschädigung unmittelbar herbeiführt. Nicht entscheidend sind demgegenüber die Ursachen, auf denen dieses Ereignis seinerseits beruht (BGH VersR 2011, 1135; BGHZ 23, 76, Juris-Rn 6).
Maßgeblich i.S.d. Unfallbegriffs war für den Tod der VN nicht die Nahrungszuführung über eine von außen in den Körper geleitete Magensonde, sondern das Einatmen erbrochener Speisereste und der damit bewirkte Atemstillstand. Die über die Magensonde verabreichte Nahrung gelangte indes nicht unmittelbar aufgrund des Einleitvorgangs in die Speiseröhre und sodann in die Luftwege. Dazu kam es erst, nachdem eine körperliche Reaktion auf die in den Magen gelangten Stoffe zu einem Hochwürgen und sodann aufgrund der diagnostizierten Schluckstörung zu einem Einatmen derselben führte. Sowohl das Erbrechen als auch das nachfolgende Einatmen des Erbrochenen sind so als rein körperinterne Vorgänge zu werten, die dem Unfallbegriff nicht unterfallen (so auch Bruck/Möller/Leverenz, AUB 2008, 2010, Rn 74; Jacob, Unfallversicherung 2013, Ziff. 1 AUB, Rn 17).
2. Nicht zu beanstanden ist im Übrigen die Anwendung des Ausschlusstatbestandes aus Ziffer 5.2.3 AUB 2008, an der der Klageanspruch ebenfalls scheitert. Die Ernährung über die PEG-Sonde, die als solche kausal ist für das zum Versterben führende Erbrechen, ist zutreffend als Heilmaßnahme einzuordnen. Heilmaßnahmen sind alle zu therapeutischen Zwecken erfolgte Einwirkungen auf den Verletzten, die nicht zwingend von einem Arzt vorzunehmen sind. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Heilmaßnahme medizinisch indiziert war oder ob die Behandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausgeführt wurde (OLG Stuttgart, Urt. v. 25.8.2005 – 7 U 94/05 –, Juris-Rn 14; BGH MDR 1989, 1546 … ). Unstreitig wurde die demente VN wegen ihrer Schluckbeschwerden über die Magensonde ernährt. Zweck der Maßnahme war damit die Gewährleistung einer gesunden Ernährung der VN, die im Wege oraler Ernährung nicht bzw. nicht ohne weiteres möglich war. Dies genügt für die Annahme einer Heilmaßnahme.
Mit der Ausschlussregelung aus Ziffer 5.2.3 AUB 2008 sollen die mit einer gewollten Behandlung verbundenen erhöhten Gefahren vom Unfallversicherungsschutz ausgeschlossen werden. Entscheidend ist, dass sich eine der gewollten Behandlung eigentümliche Gefahr konkretisiert und zu einer Gesundheitsschädigung geführt hat. Erforderlich ist dabei adäquate Kausalität. Nicht versichert sind die adäquaten Folgen einer solchen Maßnahme, wenn sich dabei eine dieser eigentümlichen Gefahr verwirklicht, nicht, wenn der Unfall nur gelegentlich der Behandlung geschieht, also in einem lediglich zufälligen Zusammenhang mit der Heilmaßnahme oder dem Eingriff steht (OLG Celle, Urt. v. 19.11.2009 – 8 U 107/09 –, Juris-Rn 24 … ). Das zum Tode führende Erbrechen bzw. Einatmen der Nährstoffe war adäquate Folge der künstlichen Ernährung, weil diese unstreitig gerade das Risiko einer solchen Aspiration mit sich bringt.“
zfs 12/2013, S. 703 - 704