RVG § 32; GKG § 47 Abs. 1 S. 1

Leitsatz

Der gerichtlich festzusetzende Streitwert bestimmt sich im Rechtsmittelverfahren einheitlich nach den Anträgen des Rechtsmittelführers, auch wenn das Rechtsmittel zunächst unbeschränkt eingelegt und erst in der Rechtsmittelbegründung beschränkt wurde.

BGH, Beschl. v. 26.9.2013 – IX ZR 204/11

Sachverhalt

Die Kl. hatte in erster Instanz vor dem LG beantragt, die Bekl. zur Zahlung von 1.340.085,10 EUR nebst Zinsen und zur Benennung von Adressdaten zu verurteilen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgte die Kl. nur noch ihren Zahlungsantrag i.H.v. 1.316.953,10 EUR nebst Zinsen. Hiermit hat sie vor dem OLG nur i.H.v. 169.672,13 EUR Erfolg gehabt. Das OLG hat für beide Parteien die Revision zugelassen. Die Kl. hat ihre Revision zunächst ohne Anträge eingereicht. Mit ihrer fristgerecht eingegangenen Revisionsbegründung hat die Kl. dann die Verurteilung der Bekl. zur Zahlung von weiteren 458.656,55 EUR begehrt. Die Bekl. verfolgte mit ihrer Revision die Abweisung der Klage. Der BGH hat durch Urt. v. 16.5.2013 – IX ZR 204/11 – die Bekl. verurteilt, an die Kl. 359.197,72 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Klage hat der BGH abgewiesen.

Nach Beendigung des Revisionsverfahrens hat der Prozessbevollmächtigte der Kl. beantragt, den Gegenstandswert für seine anwaltliche Tätigkeit im Revisionsverfahren für die Zeit bis zur Vorlage der Revisionsbegründung auf 1.316.953,10 EUR festzusetzen. Der BGH hat diesen Antrag abgelehnt.

2 Aus den Gründen:

[1] "Der Antrag des Prozessbevollmächtigten, den für seine Gebühren maßgeblichen Wert bis zur Begründung der Revision auf den Betrag der Beschwer festzusetzen, ist nach § 32 Abs. 2 S. 1 RVG zulässig, aber nicht begründet."

[2] Für die Gebühren des Rechtsanwalts ist nach § 32 Abs. 1 RVG der für die Gerichtsgebühren festgesetzte Wert maßgeblich. Dieser bestimmt sich in Rechtsmittelverfahren gem. § 47 Abs. 1 S. 1 GKG nicht nach der Beschwer, sondern nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Dementsprechend hat der Senat vorliegend den Streitwert in Addition der von beiden Parteien wechselseitig mit ihren Revisionen verfolgten Anträge festgesetzt.

[3] Soweit es wegen des gesamten oder eines Teils des Anspruchs nicht zu einer gerichtlichen Anhängigkeit kommt, scheidet eine Festsetzung des Streitwerts aus. Voraussetzung einer gerichtlichen Festsetzung des für die anwaltlichen Gebühren maßgeblichen Werts nach §§ 32, 33 RVG ist nämlich, dass Gebühren für die Tätigkeit des Rechtsanwalts in einem gerichtlichen Verfahren in Rede stehen (BGH, Beschl. v. 4.4.2013 – IX ZR 75/12, n.v., Rn 3 m.w.N.). Hieran fehlt es bezüglich des mit der Revision der Kl. nicht weiter verfolgten Klagebegehrens. Eine gerichtliche Streitwertfestsetzung für außergerichtliche Gebühren kommt nicht in Betracht (BGH, a.a.O.).

[4] Verfassungsrechtliche Gründe stehen diesem Gesetzesverständnis nicht entgegen, weil der Rechtsanwalt die Möglichkeit hat, für seine auf einem umfassenderen Auftrag beruhende außergerichtliche Tätigkeit gesonderte Gebühren gegen seinen Mandanten geltend zu machen … .“

3 Anmerkung:

Die Entscheidung ist richtig, für die im Rechtsmittelverfahren in ähnlicher Situation wie hier der Revisionsanwalt der Kl. tätigen Anwälte jedoch unbefriedigend. Allerdings gibt der amtliche Leitsatz die Problematik nicht ganz richtig wieder. Es ging hier nicht um die Festsetzung des Streitwerts – der war hier durch einen anderen Beschluss bereits festgesetzt –, sondern um die gesonderte Festsetzung des für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgeblichen Gegenstandswerts.

1. Der Streitwert im Rechtsmittelverfahren

Gem. § 47 Abs. 1 S. 1 GKG bestimmt sich der Streitwert im Rechtsmittelverfahren nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Vorliegend hatte die Kl. die Verurteilung der Bekl. zur Zahlung von weiteren 458.656,55 EUR begehrt. Damit bestimmte sich der Streitwert für die Revision der Kl. nach diesen 458.656,55 EUR. Die Bekl. hatte demgegenüber mit ihrem Klageabweisungsantrag den Antrag gestellt, die Klage auch wegen ihrer zweitinstanzlichen Verurteilung i.H.v. 169.672,13 EUR abzuweisen. Mithin müsste sich der Streitwert für das Revisionsverfahren in Addition dieser beiden Beträge auf 628.328,68 EUR belaufen. Der BGH hat in seinem Beschl. die Höhe des vom ihm anderweitig festgesetzten Streitwerts nicht mitgeteilt.

Gem. § 47 Abs. 1 S. 2 GKG ist hiervon abweichend für den Streitwert im Rechtsmittelverfahren die Beschwer maßgebend, wenn das Verfahren endet, ohne dass Rechtsmittelanträge eingereicht werden oder wenn diese nicht innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist eingereicht werden. Ein solcher Fall lag hier nicht vor, da beide Parteien innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist Revisionsanträge gestellt hatten.

Eine Ausnahme von dieser Regelung war hier nicht gegeben. Sie hätte nur dann vorgelegen, wenn der die Beschwer nicht ausschöpfende Rechtsmittelantrag der Kl. offensichtlich nicht auf Durchführung des Rechtsmittels gerichtet gewesen wäre (so BGH, Großer Senat für Zivilsachen, BGHZ 70, 365 = NJW 1978, 1...

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