BGB § 123 § 307 Abs. 1 und 2
Leitsatz
1. Zur Frage, ob ein Händler verpflichtet ist, sich vor dem Weiterverkauf eines Gebrauchtwagens Kenntnis von einer beim Hersteller geführten "Reparaturhistorie" des Fahrzeugs zu verschaffen.
2. Die Klausel in AGB (hier eines Gebrauchtwagenkaufvertrags) "Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden" ist nicht nur gegenüber Verbrauchern, sondern auch im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders unwirksam.
BGH, Urt. v. 19.6.2013 – VIII ZR 183/12
Sachverhalt
Die Kl. kaufte von der Rechtsvorgängerin der Bekl. im Juni 2007 einen gebrauchten Audi A8 Quattro mit einer Laufleistung von 124.058 Kilometern zum Preis von 34.500 EUR, den die Rechtsvorgängerin der Bekl. (im Folgenden Bekl.) im April 2004 von der Streithelferin mit einer Laufleistung von 30.800 Kilometer zum Preis von 55.000 EUR erworben hatte. Die Kl. unterzeichnete ein Bestellformular der nunmehr Bekl., das in den Rubriken "Zahl, Umfang und Art von Mängeln und Unfallschäden lt. Vorbesitzer" und "Dem Verkäufer sind auf andere Weise Mängel und Unfallschäden bekannt" mit "nein" angekreuzte Antworten enthielt. Ziff. VI Nummer 1 der in den Vertrag einbezogenen AGB für den Verkauf von gebrauchten Kfz und Anhängern enthielt folgende Bestimmung:
"Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden."
Das Fahrzeug wurde am 22.6.2007 übergeben. Die Kl. erklärte mit Schreiben ihres Anwalts v. 4.3.2009 die Anfechtung des Kaufvertrags, hilfsweise den Rücktritt mit der Begründung, die Bekl. habe "ins Blaue hinein" oder unter bewusster Täuschung der Kl. die Unfallfreiheit des Fahrzeugs zugesichert, obwohl in den Jahren 2003 und 2006 erhebliche Unfallschäden repariert worden seien.
Mit ihrer Klage hat die Kl. die Verurteilung der Bekl. zur Rückzahlung des Kaufpreises von 34.500 EUR nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, Erstattung entstandener Finanzierungskosten, Freistellung von noch bestehenden Darlehensverbindlichkeiten und von Anwaltskosten und Gutachterkosten begehrt.
Das LG hat der Klage unter Abzug einer Nutzungsentschädigung stattgegeben. Auf die Berufung der Bekl. hat das OLG die Klage abgewiesen. Die Revision der Kl., die ihr Klagebegehren weiter verfolgt, führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an das BG.
2 Aus den Gründen:
[15] "… Rechtsfehlerfrei hat das BG zwar einen bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsanspruch aus § 812 BGB aufgrund der von der Kl. erklärten Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung sowie einen deliktischen Schadensersatzanspruch der Kl. wegen Betrugs verneint. Das BG hat jedoch verkannt, dass vertragliche Ansprüche wegen Mängeln des Fahrzeugs nicht verjährt sind und deshalb nicht mit der vom BG gegebenen Begründung verneint werden können."
[16] 1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die tatrichterlichen Feststellungen, aufgrund derer das BG den von der Kl. erhobenen Vorwurf der arglistigen Täuschung nicht für begründet erachtet hat.
[17] a) Hinsichtlich der Reparatur v. 30.5.2005 hat das BG mit Recht angenommen, dass eine Aufklärungspflicht der Bekl. insoweit nicht bestand. Denn dieser Reparatur lag, wie das BG rechtsfehlerfrei festgestellt hat, lediglich ein Bagatellschaden zugrunde. Das Revisionsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.
[18] Die Revision räumt ein, dass die Kl. zur Erheblichkeit dieses Schadens nicht detailliert vorgetragen hat, und zieht nicht in Zweifel, dass sich aus der Reparaturhistorie, dem Klägervortrag und dem von der Kl. eingeholten DEKRA-Gutachten kein weitergehender Schaden ergibt, als ihn das BG seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat. Sie meint jedoch, von der Kl. sei nicht darzulegen gewesen, dass diese Reparatur mehr als einen Bagatellschaden zum Gegenstand gehabt habe, sondern es sei nach den Grundsätzen der sekundären Behauptungslast Sache der Bekl., welche die Reparatur durchgeführt habe, darzulegen, dass es sich nur um einen Bagatellschaden und nicht um einen aufklärungspflichtigen Unfallschaden gehandelt habe.
[19] Das trifft nicht zu. Die Kl. hat die Anfechtung des Kaufvertrags darauf gestützt, dass der Reparatur v. 30.5.2005 ein aufklärungspflichtiger Unfallschaden zugrunde gelegen habe. Aus der ihr vorliegenden Reparaturhistorie, aus der sich die durchgeführten Arbeiten ergeben, und dem von ihr eingeholten DEKRA-Gutachten ergibt sich aber, wie ausgeführt, nicht mehr als ein Bagatellschaden. Soweit die Bekl. aufgrund der von ihr durchgeführten Reparatur nach den Grundsätzen der sekundären Behauptungslast etwas vorzutragen hatte, hat sie dieser Obliegenheit genügt, wie das BG bereits in seinem Hinweisbeschl. v. 13.3.2012 festgestellt hat.
[20] b) Auch hinsichtlich der Reparatur v. 29.10.2003, die in der Zeit durchgeführt worden war, als die Streithelferin Eigentümerin des Fahrzeugs war, hat das BG eine arglistige Täuschung der Kl. durch ...