BGB § 307 § 323 § 326 § 631 § 633 § 634 § 636 § 646
Leitsatz
1. Verpflichtet sich der Unternehmer, eine bestimmte Fläche von Schnee- und Eisglätte freizuhalten, ist Werkvertragsrecht anwendbar.
2. Eine solche Leistung ist grds. nicht abnahmebedürftig, so dass es gerechtfertigt ist, das Mängelrecht der §§ 634 ff. BGB anzuwenden, wenn der Unternehmer die Leistung in Erfüllung seiner gesamten Verbindlichkeit erbracht hat.
3. Eine Formularbestimmung, wonach der Vertragspartner des Verwenders diesem eine Frist zur Nacherfüllung setzen muss, auch wenn eine Fristsetzung gem. §§ 323 Abs. 2, 326 Abs. 5, 636 BGB entbehrlich ist, benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil sie von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweicht.
BGH, Versäumnisurt. v. 6.6.2013 – VII ZR 355/12
Sachverhalt
Die klagende Reinigungs- und Winterdienstfirma hat die Verurteilung des beklagten Hausgrundstückseigentümers zur Zahlung der Restvergütung aus einen zwischen den Parteien geschlossenen "Reinigungsvertrag Winterdienst" geltend gemacht. In diesen Vertrag hatte sich die Kl. zur Übernahme der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung des Bekl. während des winterlichen Reinigungszeitraums vom 1.11. bis zum 30.4. des Folgejahres die Reinigungsflächen (Gehsteig, Hofeingang, Weg zum Fahrradständer) auf dem Grundstück des Bekl. gem. den Pflichten des Straßenreinigungsgesetzes bzw. der jeweiligen kommunalen Satzung von Schnee- und Eisglätte freizuhalten und bei Winterglätte mit abstumpfenden Stoffen zu bestreuen. Das vereinbarte Entgelt richtete sich nach der Maschinen- bzw. Handarbeit je Quadratmeter der vereinbarten Fläche. Ziff. 14 der von der Kl. gestellten, dem Vertrag zugrunde liegenden Vertragsbedingungen für die Ausführung von Winterdienst bestimmte Folgendes:
"Die Gewährleistungsansprüche der Auftraggeber werden dahingehend beschränkt, dass sie zunächst nur Nachbesserung verlangen können. Lediglich im Fall des wiederholten Fehlschlagens der Nachbesserung kann der Auftraggeber nach seiner Wahl Herabsetzung der Vergütung oder Rückgängigmachung des Vertrags verlangen."
Nach mehrfachen Vertragsverlängerungen mangels Kündigung für jeweils ein Jahr stellte die Bekl. für die Wintersaison 2009/2010 in zwei Teilbeträgen von jeweils 806,82 EUR in Rechnung, der Bekl. hat einen Restbetrag von 322,73 EUR nicht entrichtet. In der Wintersaison 2010/2011 hat der Bekl. den zweiten Teilbetrag nicht entrichtet. Hierzu hat er angeführt, dass die Kl. an mehreren von ihm bezeichneten Tagen Handreinigungsarbeiten für den Weg vom Hofeingang und die Maschinenreinigung des Weges zum Fahrradständer nicht vorgenommen habe. Der Vertrag ist inzwischen gekündigt worden. AG und LG, das die Revision zugelassen hat, haben der Klage stattgegeben. Die Revision des Bekl. führte zur Aufhebung und Zurückweisung.
2 Aus den Gründen:
[8] "… II. Ein Recht des Bekl. zur Minderung der Vergütung kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des BG nicht verneint werden."
[9] 1. Entgegen der Auffassung des BG haben die Parteien einen Werkvertrag geschlossen. Gem. § 631 Abs. 2 BGB kann Gegenstand eines Werkvertrags auch ein durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein. Für die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Parteien maßgebend. Es kommt darauf an, ob eine Dienstleistung als solche oder als Arbeitsergebnis deren Erfolg geschuldet wird (BGHZ 151, 330, 332 f. = NJW 2002, 3323; BGH GRUR 1974, 284 = WM 1972, 947 unter I 1).
[10] Die Kl. schuldete einen Erfolg. Nach der getroffenen Vereinbarung hatte sie unter Übernahme der Pflichten des Straßenreinigungsgesetzes die vereinbarten Flächen von Schnee- und Eisglätte “freizuhalten’. Die Kl. schuldete danach ein bestimmtes Arbeitsergebnis. Es kam den Vertragsparteien darauf an, dass die vereinbarten Flächen in der Wintersaison gefahrlos benutzt werden konnten. Vertragsgegenstand war, wie die Revision zutreffend ausführt, die erfolgreiche Bekämpfung von Schnee- und Eisglätte.
[11] Das BG hat als entscheidend angesehen, dass die Kl. auch die Verkehrssicherungspflicht des Bekl. übernommen hat. Um dem nachzukommen, so hat das BG gemeint, schulde die Kl. vor allem die Überwachung der Wetterlage und vereinbarten Fläche, so dass der Vertrag überwiegend dienstvertraglichen Charakter habe (ebenso LG Hamburg, WuM 1989, 622 = BeckRS 1989, 31218801; LG Berlin, GE 2011, 201 = BeckRS 2011, 02468; GE 2011, 953 = BeckRS 2011, 19643; LG Potsdam, GE 2012, 347 = BeckRS 2012, 06140). Das ist nicht richtig. Die Übernahme der Verkehrssicherungspflicht ändert nichts an der Rechtsnatur des Vertrags. Diese wird maßgeblich durch den Werkerfolg geprägt, der darin besteht, dass die Gefahrenquelle beseitigt wird (KG, GE 1980, 1059, 1060; GE 1981, 143; OLG Brandenburg, GE 2012, 1558 = BeckRS 2012, 23937; AG Spandau, GE 2011, 1624 = BeckRS 2011, 28829; AG Tempelhof-Kreuzberg, GE 2012, 407 = BeckRS 2012, 07182; AG Berlin-Mitte, GE 2012, 408). Wetterbeobachtungen und -pr...