"Zur ersten Frage"
[16] Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 21 Abs. 5 der Richtlinie 2009/103 dahin auszulegen ist, dass zu den ausreichenden Befugnissen, über die der Schadenregulierungsbeauftragte verfügen muss, die Vollmacht gehört, die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke, die für die Einleitung eines Verfahrens zur Regulierung eines Unfallschadens vor dem zuständigen Gericht erforderlich sind, rechtswirksam entgegenzunehmen.
[17] Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass bei der Bestimmung der Bedeutung einer Vorschrift des Unionsrechts sowohl ihr Wortlaut als auch ihr Zusammenhang und ihre Ziele zu berücksichtigen sind (Urt. v. 9.4.2013, Kommission/Irland, C-85/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn 35 und die dort angeführte Rspr.).
[18] Im vorliegenden Fall müssen Schadenregulierungsbeauftragte zwar nach dem Wortlaut von Art. 21 Abs. 5 der Richtlinie 2009/103 über ausreichende Befugnisse verfügen, um das Versicherungsunternehmen gegenüber Geschädigten zu vertreten und um deren Schadensersatzansprüche in vollem Umfang zu befriedigen, doch fehlen in dieser Bestimmung, die damit die Ziele dieser Vertretung festlegt, nähere Hinweise auf den genauen Umfang der dafür einzuräumenden Befugnisse.
[19] Unter diesen Umständen ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2009/103 darauf abzielt, den bei Kfz-Verkehrsunfällen Geschädigten unabhängig davon, in welchem Land der Union sich der Unfall ereignet, eine vergleichbare Behandlung zu garantieren. Dafür müssen die Geschädigten ihren Schadensersatzanspruch in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat gegenüber einem dort bestellten Schadenregulierungsbeauftragten des Versicherungsunternehmens der haftpflichtigen Partei geltend machen können.
[20] Nach dem 37. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/103 haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Schadenregulierungsbeauftragte über ausreichende Befugnisse verfügen, um das Versicherungsunternehmen gegenüber den Geschädigten zu vertreten und es auch gegenüber den einzelstaatlichen Behörden und ggf., soweit dies mit den Regelungen des internationalen Privat- und Zivilprozessrechts über die Festlegung der gerichtlichen Zuständigkeiten vereinbar ist, gegenüber den Gerichten zu vertreten.
[21] Aus diesen Erwägungen ergibt sich demnach klar, dass die Vertretung von Versicherungsunternehmen, wie sie in Art. 21 Abs. 5 der Richtlinie 2009/103 vorgesehen ist – ohne dass sie die Einhaltung der Regelungen des internationalen Privat- und Zivilprozessrechts in Frage stellen könnte –, nach dem Willen des Unionsgesetzgebers die Vertretung umfasst, die es den Geschädigten erlaubt, die Klage auf Ersatz ihres Schadens rechtswirksam bei den nationalen Gerichten zu erheben.
[22] Wie der Generalanwalt in Nr. 25 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ergibt sich im Übrigen aus den Vorarbeiten zu den Richtlinien, die der Richtlinie 2009/103 vorausgegangen sind und mit ihr für den Versicherungsbereich kodifiziert wurden, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Vertretung eines Versicherungsunternehmens im Staat des Geschädigten eine passive Zustellungsvollmacht für gerichtliche Schriftstücke umfassen sollte, wenn auch mit eingeschränktem Charakter, da sie die Regelungen des internationalen Privat- und Zivilprozessrechts über die Festlegung der gerichtlichen Zuständigkeiten nicht berühren sollte.
[23] In diesen Grenzen gehört daher die passive Zustellungsvollmacht für gerichtliche Schriftstücke zu den ausreichenden Befugnissen, über die der Schadenregulierungsbeauftragte verfügen muss.
[24] Wäre eine solche Vollmacht nicht umfasst, würde der Richtlinie 2009/103 im Übrigen eine ihrer Zielsetzungen genommen. Wie der Generalanwalt in Nr. 32 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, besteht nämlich die Funktion des Schadenregulierungsbeauftragten im Einklang mit den Zielen der Richtlinie 2009/103 gerade darin, den Unfallopfern ihr Vorgehen zu erleichtern und es ihnen insb. zu ermöglichen, ihre Ansprüche in ihrer eigenen Sprache geltend zu machen. Diesen Zielen würde es widersprechen, wenn den Unfallopfern, nachdem sie die vorherigen Schritte unmittelbar gegenüber diesem Vertreter unternommen haben – und obwohl sie direkt gegen den VR klagen können –, die Möglichkeit genommen würde, die gerichtlichen Schriftstücke an diesen Vertreter zustellen zu lassen, um die Schadensersatzklage vor dem international zuständigen Gericht durchzuführen.
[25] Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 21 Abs. 5 der Richtlinie 2009/103 dahin auszulegen ist, dass zu den ausreichenden Befugnissen, über die der Schadenregulierungsbeauftragte verfügen muss, die Vollmacht gehört, die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke, die für die Einleitung eines Verfahrens zur Regulierung eines Unfallschadens vor dem zuständigen Gericht erforderlich sind, rechtswirksam entgegenzunehmen.
Zur zweiten Frage
[26] In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage zu beantworten, mit der das vorlegende Gericht wissen möc...