VV RVG Nr. 2300 3100 Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1; ZPO § 145 Abs. 1

Leitsatz

Nach Trennung eines Prozesses i.S.d. § 145 Abs. 1 ZPO wird der gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 RVG VV in der bis zum 31.7.2013 geltenden Fassung (RVG VV a.F.) anrechenbare Anteil der tatsächlich angefallenen Geschäftsgebühr auf jede der in den gesonderten Einzelverfahren entstandenen Verfahrensgebühren (Nr. 3100, Vorbem. 3 Abs. 2 RVG VV a.F.) quotal angerechnet entsprechend dem Verhältnis des jeweiligen Einzelstreitwertes zu dem Streitwert des ursprünglichen Gesamtverfahrens.

BGH, Urt. v. 24.9.2014 – IV ZR 422/13

Sachverhalt

Der Kl. hatte die beklagte Rechtsschutzversicherung (RSV) aus dem mit diesen geschlossen Versicherungsvertrag vor dem AG H auf Freistellung von anwaltlichen Vergütungsansprüchen in Anspruch genommen. Die RSV hatte Deckungsschutz für die außergerichtliche und die gerichtliche Tätigkeit der (damaligen) Prozessbevollmächtigten des Kl. gewährt. Die Anwälte hatten – nach entsprechender vorgerichtlicher Tätigkeit – im Jahr 2001 gegen insgesamt vier Bekl. vor dem LG D Klage auf Zahlung von 57.750 EUR erhoben. Das LG D verwies den Rechtsstreit hinsichtlich zweier Bekl. nach Prozesstrennung wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit an das LG S.

Die beklagte RSV hatte für die außergerichtliche Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten folgende Anwaltskosten reguliert:

 
1. 1,5 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 57.750 EUR) 1.684,50 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 323,86 EUR
Summe 2.028,36 EUR

Für das Verfahren vor dem LG D hat die RSV – wie von den Prozessbevollmächtigten des Kl. angesetzt – unter Anrechnung der Hälfte dieser Geschäftsgebühr die Kosten wie folgt reguliert:

 
1. 1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 57.750 EUR) 1.459,90 EUR
hierauf gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG anzurechnen: 0,75 Geschäftsgebühr (Wert: 57.750 EUR) – 842,25 EUR
Rest 617,65 EUR
2. 1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 57.750 EUR) 1.347,60 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme: 1.985,25 EUR
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVGc 377,20 EUR
Summe: 2.362,45 EUR

Für den Rechtsstreit vor dem LG S hat der Kl. die Freistellung von folgenden Anwaltskosten begehrt:

 
1. 1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 57.750 EUR) 1.459,90 EUR
2. 1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 57.750 EUR) 1.347,60 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme: 2.827,50 EUR
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 537,23 EUR
Summe: 3.364,73 EUR

Die beklagte RSV hat die Zahlung hierauf mit der Begründung verweigert, die Kostenberechnung sei inhaltlich falsch und die Vergütung damit insgesamt nicht fällig. Bei einzelner Abrechnung der nach Prozesstrennung gesonderten Verfahren müsse wegen der Gegenstandsgleichheit die Geschäftsgebühr jeweils auf beide Verfahrensgebühren angerechnet werden. Dem hat der Kl. entgegengehalten, hierdurch würde der Anrechnungshöchstsatz von 0,75 gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG überschritten.

Das AG H hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Kl. hat das LG H die Bekl. ohne weitere Anrechnung der Geschäftsgebühr antragsgemäß zur Freistellung durch Zahlung von 3.364,73 EUR nebst Zinsen verurteilt. Die von der beklagten RSV eingelegte Revision hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen:

[7] "… I. Das BG hat ausgeführt, die vor dem LG S nach der Prozesstrennung neu entstandene Verfahrensgebühr sei mit der in dem Rechtsstreit gegen alle vier Bekl. vor dem LG D bis dahin erwachsenen Gebühr nicht identisch. Die in der vorgerichtlichen Tätigkeit gegen sämtliche Bekl. gemeinschaftlich begründete Geschäftsgebühr sei allein auf letztere anrechenbar."

[8] II. Dies hält der rechtlichen Überprüfung nur im Ergebnis stand. …

[10] 2. Die Bekl. ist im geltend gemachten Umfang zur Freistellung verpflichtet. Zwar hat das BG verkannt, dass sich die Anrechnung der Geschäftsgebühr i.S.d. Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1 RVG VV a.F. – anteilig – auf die vor dem LG S angefallene Verfahrensgebühr erstreckt (unter a). Dieser gebührenrechtliche Fehler wirkt sich aber auf die Höhe der von der Bekl. aus dem Rechtsschutzfall zu tragenden Kosten nicht aus (unter b).

[11] a) Macht der Rechtsanwalt – wie hier – die Verfahrensgebühren aus den infolge der Prozesstrennung entstandenen gesonderten Einzelverfahren geltend, wird die vorgerichtliche Geschäftsgebühr auf diese jeweils anteilig gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 RVG VV a.F. angerechnet.

[12] aa) Rechtsfehlerfrei hat das BG zunächst festgestellt, dass nach Prozesstrennung i.S. des § 145 Abs. 1 ZPO in dem Verfahren vor dem LG S eine eigenständige Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG VV a.F., Vorbem. 3 Abs. 2 RVG VV a.F. entstanden ist. In den aus der Prozesstrennung resultierenden Einzelverfahren fallen die vor der Prozesstrennung verdienten Gebühren bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen aus den jeweiligen Einzelstreitwerten erneut an (BverwG RVGreport 2010, 60 (Hansens); OLG Brandenburg AGS 2011; OLG Düsseldorf OLGR 2000,74; zur Prozessverbindung: Senatsb...

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