ZPO § 104 Abs. 2 S. 3
Leitsatz
1. Die Richtigkeit einer im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO vom Erstattungsberechtigten abgegebenen Erklärung, er könne die Umsatzsteuer nicht zum Vorsteuerabzug verwenden, kann ausnahmsweise nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Erklärung offensichtlich und zweifelsfrei unrichtig ist.
2. Der Erstattungspflichtige kann die Richtigkeit der Erklärung durch Gegenbeweis entkräften. Dieser Gegenbeweis ist jedoch dann nicht geführt, wenn die Vorsteuern zwar teilweise abzuziehen sind, deren Höhe jedoch den aktuellen Verhältnissen im Besteuerungszeitraum entsprechen und späteren Abänderungen oder Berichtigungen unterliegen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Hamm, Beschl. v. 15.8.2014 – 25 W 10/14
Sachverhalt
Der Kl. hatte die Bekl. vor dem LG auf Unterlassung und auf Ersatz von Anwaltskosten für eine Abmahnung in Anspruch genommen. Aufgrund der zu seinen Gunsten ergangenen Kostenentscheidung hat der Kl. die Festsetzung der Kosten gegen die Bekl. beantragt und in seinem Kostenfestsetzungsantrag die Erklärung abgegeben, er sei nicht vorsteuerabzugsberechtigt. Mit ihrer hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde hatten die Bekl. geltend gemacht, der Kl. sei jedenfalls teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Die sofortige Beschwerde hatte vor dem OLG Hamm keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[4] "… I. Das LG hat bei der Berechnung der außergerichtlichen Kosten des Kl. zu Recht die Umsatzsteuer berücksichtigt. Dem können die Bekl. nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass der Kl. jedenfalls teilweise vorsteuerabzugsberechtigt sei. Nach § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO genügt für die Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen, die Erklärung des Erstattungsberechtigten, nicht vorsteuerabzugsberechtigt zu sein. Ihren Grund findet die gesetzliche Regelung darin, dass das Kostenfestsetzungsverfahren nicht mit schwierigen Fragen des materiellen Umsatzsteuerrechts belastet werden soll. Trotz einer solchen Erklärung ist die Erstattung der Umsatzsteuer ausnahmsweise zu versagen, wenn die Negativerklärung des Erstattungsberechtigten offensichtlich und zweifelsfrei unrichtig ist (vgl. dazu Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 91 Rn 13 Stichwort “Umsatzsteuer‘ m.w.N.)."
[5] Die Richtigkeit der Erklärung kann auch durch einen von dem AG zu erbringenden Beweis entkräftet werden. Dabei ist der Gegenbeweis geführt, wenn der AG des Kostenfestsetzungsantrages äußere Anhaltspunkte in einem Umfang gesammelt und dem Gericht unterbreitet hat, dass die Erklärung des ASt. offensichtlich unrichtig erscheint.
[6] Im vorliegenden Fall ist die Erklärung weder offensichtlich falsch noch haben die Bekl. den Gegenbeweis geführt. Vielmehr liegt eine schwierige umsatzsteuerrechtliche Frage vor, die im Kostenfestsetzungsverfahren nicht geklärt werden kann. Die Umsätze des Kl. sind nur teilweise umsatzsteuerpflichtig, nämlich soweit er Aufwendungsersatz im Abmahnbereich geltend macht (vgl. BFH BStBl 2003 II 732). Rechtsanwaltskosten, die auf der Geltendmachung der sog. Abmahnkosten beruhen, dürften zur Erzielung dieser Einnahmen erfolgen. Dies führt dazu, dass anfallende Vorsteuern jedenfalls teilweise abzuziehen sind, wobei § 15 Abs. 4 UStG, der an Art. 173, 174 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28.11.2006 (MwSTSystRL) zu messen ist, verschiedene Wege der Aufteilung aufzeigt. Soweit danach in der Vergangenheit von der Finanzverwaltung eine Zuordnung im Verhältnis der Umsatzanteile zugelassen worden ist, so richtet sich diese grundsätzlich nach den aktuellen Verhältnissen im Besteuerungszeitraum und unterliegt daher auch späteren Abänderungen/Berichtigungen. Bereits aus diesen Umständen ergibt sich, dass eine offensichtliche Unrichtigkeit der Erklärung, die sich auf die gesamte geltend gemachte Umsatzsteuer bezieht, nicht angenommen werden kann.
[7] Desweiteren kann nicht mit ausreichender Sicherheit beurteilt werden, ob auch die Tätigkeit des Rechtsanwalt zwecks Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs der Einnahmeerzielung direkt und unmittelbar zuzurechnen ist. …“
3 Anmerkung:
Die Entscheidung hat über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung für das Kostenfestsetzungsverfahren und gibt Anlass zu weiteren Betrachtungen. Im Kostenfestsetzungsverfahren muss zwischen Anfall der Umsatzsteuer und deren Vorsteuerabzugsberechtigung unterschieden werden.
I. Anfall der Umsatzsteuer
Ob der geltend gemachte Umsatzsteuerbetrag dem Erstattungsberechtigten überhaupt angefallen ist, ist im Kostenfestsetzungsverfahren trotz der Erklärung nach § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO zu prüfen. Denn diese Erklärung betrifft lediglich die Berechtigung des Erstattungsberechtigten zum Vorsteuerabzug und besagt nichts darüber, ob die geltend gemachten Kosten des Rechtsstreits überhaupt der Umsatzsteuerpflicht unterliegen, was das BVerfG NJW 1996, 382 und auch der BGH – VIII. ZS – BRAGOreport 2003, 116 (Hansens) = AGS 2003, 276 übersehen. Die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs setzt vielmehr den Anfall der Umsatzsteuer erst voraus. So sind die Leistungen des Rechtsanwalts...