Ein Radfahrer fuhr auf einem Radweg, der lediglich farblich von einem daneben verlaufenden Fußweg abgetrennt war, auf eine Bushaltestelle zu, die sich aus seiner Sicht links neben dem Radweg befand. Eine Frau stand zu diesem Zeitpunkt auf der gepflasterten Freifläche der Bushaltestelle mit dem Rücken zum Radfahrer dicht am Radweg und unterhielt sich mit zwei Personen, die sich rechts vom Radweg auf dem Gehweg aufhielten. Als sich der Radfahrer der Personengruppe bis auf eine Entfernung von 10 m genähert hatte, klingelte er, um auf sich aufmerksam zu machen. Seine Geschwindigkeit reduzierte er nicht. Im Zuge seiner weiteren Annäherung machte die Frau eine Körperbewegung in Richtung auf den Radweg, wobei sie diesen nur leicht mit dem Fuß berührte. Der Radfahrer machte infolgedessen eine Vollbremsung, bei der das Vorderrad blockierte, das Fahrrad vornüber kippte und er über den Fahrradlenker zu Boden stürzte.
Das Landgericht Düsseldorf nahm ein Mitverschulden des Radfahrers in Höhe von 70 % an und gab der Schadensersatzklage teilweise statt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Radfahrers sprach das Oberlandesgericht Düsseldorf ihm vollen Schadensersatz zu. Es meinte, der Radfahrer müsse sich kein Mitverschulden anrechnen lassen. Das OLG ließ die Revision zu. Diese hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs hätte sich der Radfahrer nicht auf den Versuch beschränken dürfen, die Fußgängerin durch das Betätigen der Fahrradklingel auf sich aufmerksam zu machen. Das falsche Reagieren eines Verkehrsteilnehmers (hier: zu heftiges und objektiv unnötiges Bremsen) stelle nur dann kein Verschulden dar, wenn der Verkehrsteilnehmer in einer ohne sein Verschulden eingetretenen, für ihn nicht voraussehbaren Gefahrenlage keine Zeit zu ruhiger Überlegung habe und deshalb nicht das Richtige und Sachgerechte unternimmt, um einen Unfall zu verhindern, sondern aus verständlicher Bestürzung objektiv falsch reagiert. Im vorliegenden Fall fehle es jedoch bereits an einer für den Radfahrer nicht voraussehbaren Gefahrenlage: Der Radweg, der an der Unfallstelle zwischen Bushaltestelle und Fußweg verlief, wobei sich in beiden Fußgängerbereichen Personen aufhielten, die sich miteinander unterhielten, führte zu einer Verkehrssituation, aus der eine Kollisionsgefahr folgte. Diese sei dadurch verstärkt worden, dass zwischen den Parteien kein Sichtkontakt bestanden habe. Es sei also unklar gewesen, ob die Fußgängerin die Situation erkannt gehabt habe. Umgekehrt habe der Radfahrer durch die Abgabe des Klingelzeichens zu erkennen gegeben, dass er sich der Kollisionsgefahr bewusst gewesen sei. Zudem habe es sich zwar nicht um einen gemeinsam von Radfahrern und Fußgängern genutzten Weg gehandelt (i.S.v. Zeichen 240 zu § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO), was besondere Rücksichtspflichten der Radfahrer gegenüber den Fußgängern begründet hätte. Wegen der lediglich optischen Trennung beider Wege habe jedoch eine durchaus vergleichbare Situation bestanden. Abgesehen davon gelte auch für Radfahrer die allgemeine Pflicht zur Rücksichtnahme auf andere Verkehrsteilnehmer (§ 1 Abs. 2 StVO). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sei eine völlige Haftungsfreistellung des Radfahrers nicht gerechtfertigt. Da die Bewertung der Mitverursachungsanteile Aufgabe des Tatrichters ist, war die Sache daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.